Kufsteiner Land: Kräuterwandern im Kaisergebirge (und Alpakakontent)

Viele Stadtmenschen träumen davon: mal wieder rauskommen, die Natur spüren, sich spüren. Die Magie uralter Kraftplätze entdecken und damit auftanken. Dafür werden Kurse gebucht, Fernreisen nach Sri Lanka oder Bali. Und dabei ist alles, was man dafür braucht, vor der eigenen Haustür. Im Norden hilft das Meer und das Watt, wieder ins Innere Gleichgewicht zu kommen, wir Bayern haben die Berge. Wie viel es da in nächster Nähe und auch für Bergnovizen zu entdecken gibt, das soll euch der heutige Artikel zeigen. Wie neulich im Kufsteiner Land. Kufstein ist ja für uns Inntaler die nächste Stadt jenseits der Grenze, so nah, dass sie von mir als Kind nie als Ausland wahrgenommen worden ist – von Rosenheim gerade mal 30 Minuten entfernt. Wir sind oft hingefahren, die fantastische Burg oberhalb der Stadt besuchen, deren Orgel das gesamte Teil beschallen kann, spazierengehen durch die kleine Tiroler Stadt oder einfach das gute österreichische Essen geniessen. Unsere Trachten haben wir traditionell in Kufstein gekauft. Kufstein ist nicht so schick wie Salzburg, aber dafür auch nicht so überlaufen. Ich liebe die Stadt, hinter der das Kaisergebirge majestätisch aufragt. Eigentlich alles höchst instagrammable. Dieses Mal fahren wir an der Stadt vorbei, hin zum Gebirgsrand, zum Kaiserlift

Hochplateau am Brentenjoch Hochplateau am Brentenjoch

Meditation im Sessellift

Manchmal ist Entschleunigung so einfach. Alles, was man braucht, ist ein Einsitzer-Sessellift. Mit niemand zum Ratschen und dem Smartphone bewusst im Rucksack, bin ich nicht abgelenkt. Ich spüre die morgendliche Kühle, bewundere das Bergpanorama und atme tief. Das tut gut, ich bin ganz bei mir und entspannt. Normalerweise würden wir den Weg hochwandern – aber wir haben ja heute mehr vor! Es steht eine Kräuterwanderung auf dem Hochplateau an. Langsam fahren wir nach oben, und langsam verwandelt sich der Frühsommer im Tal in einen Frühling auf dem Berg. Schneerosen und Erika, Leberblümchen und Enzian blühen zwischen letzten Schneefeldern. Die Bäume werden umso kahler, je höher wir kommen. Als wir das Hochplateau erreichen, ist die Zeit wieder um zwei Monate zurückgedreht. Es wie eine Zeitreise , der Frühling kam auch dieses Jahr wieder unfassbar schnell.

Oben am Brentenjoch empfängt uns die Kräuterkundige Maria Bachmann – und die Wanderung mit ihr ist eine Übung in Demut. Denn sie zeigt uns viele Pflanzen, an denen ich ansonsten achtlos vorbei gegangen wäre, und erklärt, was die alle für Heilkräfte haben. Gerade die Unscheinbaren sind die kleinen Kraftpakete. Die Natur weiß, was Tiere und Menschen im Frühjahr benötigen, stellt Kräuter voller Vitamin C und anderer notwendige Mineralstoffe zur Verfügung. Auch für die ersten Insekten, die mit dickem Pelz warm vermummelten Hummeln, ist der Tisch reich gedeckt. Vor allem mit vielen lila und weißen Blüten, denn das sind einzigen Farben, die das Insekt erkennen kann. Deswegen sind die ersten Blumen meist lila oder weiß. Die Hummeln steuern die Blüten an und scheinen sich zu freuen – und ich hab wieder was gelernt. Maria erklärt viele Kräuter und sammelt sie mit uns auf einer 1,5 stündigen Wanderung ohne allzu große Höhenunterschiede, das ist auch für Bergneulinge leicht schaffbar. Der Himmel reißt auf, es wird sonnig. Am Ende des Rundkurses sind wir wieder nah beim Lift. Denn zum Mittag gibt es eine Überraschung: die gesammelten Kräuter werden zu einem fabulösen Kräutertopfen und einer Suppe verarbeitet.

Weinbergerhaus – Alpakas und Wiener Schnitzel

Traumhaft, wie das schmeckt! Ich bin allerdings dauernd unterwegs, Lamas streicheln, denn die Weinbergerhaus, das neben dem Lift liegt, hat eine kleine Alpakazucht! Jawohl, die knuffigen Tiere sind jetzt auch in den österreichischen Alpen zu finden, sie fühlen sich sehr wohl, denn ein Babyalpaka ist auch schon auf der Hütte. Noch sind sie im Stall, aber bald dürfen die Tiere auch raus in den Frühling. Besonders gerne lassen sie sich nicht streichen, bis auf eins – superweich!  Der Topfen war die Vorspeise, danach gab es Essen ala Carte. Ich hab mich mit meinen Mitwanderern durch die Karte probiert, die Knödelvariationen waren alle ein Gedicht und das Wiener Schnitzel auch – der Besuch ist allein für das Weinbergerhaus lohnend! Die Hütte ist ein hervorragender Ausgangspunkt für viele Wanderungen, im Winter ein beliebter Treff für die Snowsportfreunde.

40.000 Jahre Menschheitsgeschichte in einer Höhle

Nach dem Essen fahren wir wieder ins Tal, nur um gleich wieder nach oben zu steigen, über 345 Stufen ins Kaisertal. Wir halten kurz inne an der Neapelbank.

Die heißt so, weil der Blick von dort auf das Inntal, Kufstein mit dem Burgberg und die Alpen so schön ist wie der Blick auf den Golf von Neapel. da ist was dran…kurz nach der Bank windet sich der Weg in Serpentinen nach unten. Mittlerweile ziehen dicke Wolken über das Land, aber wir erreichen unser Ziel, die Tischofer-Höhle noch trocken. Der Ort ist historisch bedeutsam. Dort trafen sich vor fast 200 Jahren der Widerstand um Andreas Hofer gegen die bayerisch-französische Besatzung. Vor 40.000 Jahren lebten dort schon Leute. Welche Äonen das sind, zeigt der Fluss, der für die Höhlenmenschen bequem vor der Haustüre lag und sich im Laufe der Zeit rund 70 Meter tief ins Tal gefressen hat. Die Höhle ist ein besonderer Ort, nicht nur wegen des Alters. Geheimnisvoll, nicht leicht zu finden und sehr majestätisch. Esoterischere Menschen als ich würden es einen Kraftplatz nennen, an dem die Kräfte der Erde spürbar sind.

Als wir die Höhle besuchen, fängt es in Strömen zu regnen an, wir sind froh um den Schutz. Wir warten den Regen ab, zumindest die schlimmsten Schauer, und lassen den Tag dann unten im Tal mit Kaffee und Kuchen ausklingen….mit dem festen Vorsatz, bei schönem Wetter nochmal wiederzukommen – und den Berg hochzuwandetn – vielleicht gleich morgen, am Feiertag?