Warum es die Piraten mehr denn je braucht

Ja, die letzten Wahlergebnisse waren ein Desaster. Es gab prominente Gesichter, die die Partei verlassen haben. Wir haben uns wie wild und völlig unprofessionell gestritten. Aber das lag auch daran, dass wir selbst vergessen haben, wofür wir eigentlich stehen. Mit den Neuzugangswellen kamen Themen wie „Feminismus“ oder „Antideutsch“ dazu, der Partei wurden Diskussionen aufgezwungen, die keiner so richtig führen wollte, auch, weil niemand so genau wusste, warum wir all diese Punkte so extrem betonen sollten – denn sie waren ja längt da.
Denn der Markenkern der Piraten war und ist – ein Lebensentwurf einer freien, bunten Gesellschaft. Einer Gesellschaft, in der Mann und Frau gleichberechtigt sind, in der Menschen alles Altersklassen, aller Ethnien und Herkunftsländer willkommen sind. Eine Gesellschaft, die nicht überwacht wird, die frei ist und sich frei entfalten kann. In der Bildung für alle da ist und die jetzt schon plant, die Zukunft mit all ihren Herausforderungen zu meistern. Eine Utopie? Sicher. Aber eine realisierbare, mit dem Netz möglich gewordene Utopie. Das Netz war immer wichtig, weil es alles verband und neue Wege eröffnete, zu kommunizieren, kreativ zu werden. Dass gerade diese Wege verschlossen werden sollten, trieb uns auf die Barrikaden. Doch das Netz ist ja kein Selbstzweck – dahinter stand immer die Vision.
Und diese Vision ist jetzt mehr bedroht als je. AfD und CDU/CSU wollen die Volte zurück in die 50er Jahre, mit Spießertum und dem Ausgrenzen Fremder und dem Verdammen anderer Lebensentwürfe als dem der klassischen Familie. Das braune Gedankengut taucht wieder hoch. Queer wird wieder tabu. Die Regierung fördert den Breitbandausbau nicht und Deutschland verkommt zum digitalen Drittweltland, emsig überwacht und gegängelt. Soziale Erungenschaften werden über Bord geschmissen – auch mit Hilfe der SPD – wir haben den größten Billiglohnsektor in Europa und keine Ideen, wenn das Modell Vollbeschäftigung ausgedient hat. Umweltschutz wird den Interessen der Wirtschaft untergeordnet und die Grünen würden gerne alles verbieten, vom Dirndl bis zur Glühbirne. Es braucht uns, mehr denn je.
Was de Piraten am Anfang so sympathisch und so wählbar machte, war die bunte Mischung, die jeden und jede willkommen hieß, viele Menschen fanden hier etwas, was sie woanders gesucht hatten: Akzeptanz. Unser größter Fehler war, diesen Fakt nicht als Plus zu begreifen, sondern als Malus. Denn es kamen immer mehr, die uns professionalisieren wollten, die aalglatt das taten, was andere Politiker auch schon taten: geschliffen in Talkshows reden und bei nächstbester Gelegenheit heimlich die Freundin einstellen. Woanders professionalisierten wir uns nicht. Politische Unerfahrenheit plus politische Skandale ist eine fatale Mischung. Ja, wir müssen uns professionalisieren, unsere Ideen besser kommunizieren, Kompromisse zulassen, Führung zulassen. Aber vor allem dürfen wir nie wieder zulassen, dass unser bunter, inkludierender Markenkern in Frage gestellt wird. Dafür ist die Chance jetzt größer als jemals zuvor. Nehmen wir sie wahr.
Selbst hier befleißigen sich einige Kommentatoren einer unflätigen Sprache und disqualifizieren sich damit selbst. Das ist pathologisch; können die nicht bei ihresgleichen rumhetzen? Es gibt doch jetzt eine Alternative für rechtsaußen, sogar eine für Deutschland.
Liebe Kiko Hilger,
laß Dich nicht runterziehen von Kommentatoren, deren simplifizierende Weltsicht sich auszeichnet durch eine negative Grundeinstellung. Alles schlechtzureden ist einfach, konstruktiv zu verbessern hingegen zu schwer.
Es gibt genügend Menschen bei uns Piraten mit einem humanistischen Welt- und Menschenbild. Bleiben Sie dabei!
Herzlichste Grüße aus dem Großraum Köln sendet
Benben
Spießertum? Es gibt keine größeren Spießer als die linksgrünen Gutmenschen. Fremde werden nur ausgegrenzt, wenn sie sich nicht anpassen und meinen, daß der Koran das wichtigste Gesetz sei. SElbst die TAZ hat das schon erkannt http://m.taz.de/!62281;m/
Die Piraten müssen sich neu erfinden, um einen Platz im Parteiensystem zu haben und so ihre wichtigen Kernthemen voranbringen zu können. Nur wenn sie das schaffen, werden sie auch gebraucht. In der jetzigen Verfassung sind die Piraten nicht einmal Verfechter der Demokratie, denn die Prozesse zur innerparteilichen Meinungsbildung sind zutiefst undemokratisch. Eine konstante, für den Wähler berechenbare thematische Ausrichtung der Partei ist nicht möglich, da jeder Parteitag als Ergebnis haben kann, dass das bisher gültige über den Haufen geworfen wird und plötzlich eine ganz andere Ausrichtung der Partei Realität ist. Es hängt schlicht von der Zusammensetzung des Parteitages ab und welche Gruppe, welchen Mobilisierungsgrad hat. Der Ort, an dem ein Parteitag stattfindet bestimmt zu einem nicht geringen Teil darüber, wie die inhaltliche und organisatorische Ausrichtung der Partei ist – bis zum nächsten Parteitag an einem anderen Ort, wo wieder etwas ganz anderes herauskommen kann. Unsere Parteitage sind somit kein Instrument für eine kontinuierliche inhaltliche und sonstige Entwicklung der Partei, sondern eine Art Würfelspiel. Das macht die Piraten unberechenbar und somit auch unwählbar. Hier wird für Bundesparteitage dringend ein System benötigt, welches für einen ausgeglichenen Länderproporz unter den stimmberechtigten Parteitagsbesuchern sorgt. Wie auch immer es ausgestaltet und genannt wird.
Es gibt sehr viele Lebenslügen bei den Piraten, denen sie sich zuerst stellen müssen, um wirklich gebraucht zu werden. In der jetzigen Verfassung sind sie überflüssig.
Die Frage ist nicht, ob – siehe Überschrift – es die Piraten braucht oder nicht, sondern ob sie es bringen, ob sie das Potential haben, ihre Vision nicht nur zu haben, sondern zu verwirklichen. Bis zum Beweis des Gegenteils lautet meine Antwort: Nein, haben sie nicht. Die Chance war da; die Piraten haben sie vergeigt.
„…ein Lebensentwurf einer freien, bunten Gesellschaft. Einer Gesellschaft, in der Mann und Frau gleichberechtigt sind, in der Menschen alles Altersklassen, aller Ethnien und Herkunftsländer willkommen sind.“
Lesen Sie etwas Anthropologie und Kulturgeschichte, dann wissen Sie, dass so eine „Gesellschaft“ eben keine mehr IST, sondern eine Cola-Werbung.
Ungelehrte „Konzepte“ zerstörte die Piraten. Mit Woodstock sind Sie 40 Jahre zu spät.
Lieber alphachamber,
es gibt neben der ethnologischen Bedeutung des Begriffes Gesellschaft auch die soziologische und die staatsrechtliche Bedeutung.
Woodstock war nur eine Ahnung der aktuell zu erlebenden Wirklichkeit.
In dem Zitat beziehen SIE sich doch wenigstens teilweise auf die enthnologische Komponente:
„…aller Ethnien und Herkunftsländer willkommen sind.”
Also sollte man „Ethnien“ bei Ihnen soziologisch usw. interpretieren???
Ich werde mal versuchen,
ein Beispiel hier zu geben, weshalb so vieles scheitert:
Thema: BGE
Ich kann als Logiker nur argumentieren, wenn die Aussagen und Begriffe auch übereinstimmen UND nachvollziehbar sind.
Statt sich auf eine Diskusssion überhaupt einzulassen, wird automatisiert angenommen, das ein Kritiker zugleich ein Gegner ist, der bekämpft werden muß.
Denn, wenn das „für“ nicht richtig ist, muß nach zweiwertiger (Un)Logik das Gegenteil richtig sein. Dieses reflexartige Verhalten begenet einem sicher nicht nur innerhalb der Piratenpartei, es ist jedoch im Sinne eines Dialoges sehr abträglich.
Es ist für mich nicht nachvollziehbar, weshalb in einer Zeit des neoliberalen Glaubens, es keinen Piraten stutzig macht, wenn ich die Bemerkung mache, das der Oberneoliberale Milton Friedman auch eines fordert.
Ein Hinweis, daß, vergleichbar einem BGE, die Rente als Einkommen nicht für das Auskommen reicht, wird nicht im Ansatz beachtet.
Statt nun auf ein wirklich selbstbestimmtes „Bedingungsloses AUSkommen“ zu setzen, das auch zur Argumentation passt, wird weiterhin behauptet, daß ein fremdbestimmtes BGE sozial sei bzw. mit Freiheit gleichgesetzt.
Menschen Geld vor die Füsse zu werfen und es sozial bzw. Freiheit nennen? (Das hat überhaupt nichts mit Faulheit oder ähnlichen dümmlichen Unterstellungen zu tun.)
Fremdbestimmte Freiheit bzw. sozial ohne zwischenmenschliche Beziehungen:
Dieser Widerspruch kann einfach nicht argumentiert werden.
Ohne Argumente, auch kein Zuspruch der Menschen. Die Köpfe die es vertreten sollen, sind hier nicht mehr relevant. Viele Menschen fühlen den Widerspruch mehr, als sie ihn begründen können.
Wie erwähnt ist das nur ein Beispiel von vielen. Lieber wird auf ferne Utopien gesetzt, die keiner nachvollziehen kann.
Übrigens noch was zum Thema gleiche RECHTE für alle:
Spätestens, wenn diese Rechte durchgesetzt werden müssen, bedarf es einer Elite, die mehr Rechte haben muß, um diese durchzusetzen.
Hierin steckt der Widerspruch im Anspruch selbst oder nach Orwell’s Farm der Tiere:
Nur Schweine sind gleicher.
Gleiche Bürgerrechte können folglich ebensowenig eine GesellschaftsVISION darstellen.
Das sind nur zwei Beispiele, die die Widersprüchlichkeit aufzeigen.
Was fehlt ist das grundsätzliche Hinterfragen, wohin die Reise gehen soll, denn die Wirklichkeit läßt sich auch durch menschliche Konstrukte nicht „bescheissen“, das führt nur zum Selbstbetrug.
Gefragt ist ein anderes Denken, mit einer anderen Sicht auf die Welt. Erst dies ist dann tatsächlich eine Vision.
Gruß
Sorry für die Überlänge, es mußte mal raus.
All die bunten Bildchen und Visionen sind nicht mehr als Märchen weil leider jeder irgendwie vergisst dass wir längst in einem Überwachungsstaat leben.
Guten Morgen! Wann hast du zuletzt mal aus dem Fenster geschaut? Es geht hier längst nicht mehr um Breitbandausbau und digitale Agenda. Es geht um die völlige Abschaffung des Grundgesetzes. Es geht um das Ende der informationellen Selbstbestimmung und damit der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Es ist nicht mehr 5 vor 12.
Es ist 5 nach 12 und es wird über solchen Firlefanz gesprochen?
Tolle Wurst.
Auf einmal erscheint es wie ein Vorzeichen, dass der hervorragende Inklusionsantrag auf dem BPT Bochum 2012, wenn auch erst im 3. Anlauf, torpediert wurde,