Wer kennt nicht dieses warme, heimelige Gefühl, wenn man etwas isst, was einen an die Kindheit erinnert, an daheim? Da hat jede und jeder bestimmt seine Lieblingsgerichte, seine Favoriten, die Eltern oder Großeltern so gut kochten wie kaum wer anderes. Ich denke oft und gerne an Mamas perfekt panierte, knusprige und würzige Schnitzel zurück, an Papas unvergleichlich aromatische Lasagne (mein Vater war für die italienische Küche zuständig) an Omas auszogne Nudeln (ein Hefegebäck, das frisch frittiert noch heiß mit Puderzucker serviert wurde) oder an den Rhabarberkuchen mit Eiguss von Tante Luise. Tolles Essen. Wunderbare Erinnerungen. Heimat. An mache Gerichte und Geschmäcker musste ich mich erst gewöhnen, zB an die „Kerwerschmierkuchen“ den Kirchweihkuchen aus der Oberpfalz von Tante Brigitte. Das war ein Rührkuchenteig, auf den eine Creme „Schmier“ aus Grieß mit Safran gewürzt aufgestrichen und gebacken wurde. Als Kind mochte ich den Safran gar nicht, mittlerweile könnte ich den Kuchen blechweise essen.
Heimat ist, wo das Essen nach Kindheit schmeckt
Der bekannte TV-Koch Nelson Müller scheint genauso zu fühlen. Kochen löst bei ihm Heimatgefühle aus. Und da er nicht in Afrika aufgewachsen ist, sondern in Deutschland, in Schwaben, verbindet er Heimat mit Spätzle, Rouladen, mit Kartoffelsuppe und rheinischem Sauerbraten. Also die Klassiker seiner Kindheit, seine persönlichen Heimatgefühle. Diesem Gefühl widmet er jetzt ein Buch mit eben diesem Titel. „Heimatliebe“ (Dorling Kindersley Verlag, 24,95 Euro) . Für das Buch hat er sich nicht nur auf eine Zeitreise in seine Kindheit begeben, sondern auf eine Tour durch Deutschland gemacht und die Spezialitäten anderer Regionen für sich entdeckt. Und er nimmt uns mit auf seine Reise, erzählt die Geschichte der Gerichte, unterstützt Hobbyköche mit verständlicher Warenkunde, Tipps und Tricks.
Das Verrückte daran ist, dass diese Art Essen fast schon exotisch anmutet. Wir sind so an Pizza, Curries, Avocado oder Burger gewöhnt, da ist es ungewöhnlich (zumindest für mich), mal wieder Spargel mit Kartoffeln, brauner Nussbutter und Steak (Bild), Schweinebraten oder Kartoffelcremesuppe selbst zuzubereiten. Aber mit dem Trend zur regionalen und saisonalen Küche ist jetzt genau die perfekte Zeit für ein Kochbuch wie „Heimatliebe“ – denn wie soll man mit regionalen Zutaten kochen, ohne die regionalen Gerichte zu kennen?
Heimatliebe weckt duftende Erinnerungen
Ich habe beim Schmökern im Kochbuch in Erinnerungen geschwelgt, ich hatte fast den Geruch aus der Sonntagsküche meiner Mutter in der Nase. Nelson Müllers Familie müssen gute Köche gewesen sein – und den Kochkünsten meiner Familie nicht so vollkommen unähnlich. Meinen Freund freut’s, wir haben jetzt ausgemacht, dass es einmal pro Woche etwas aus dem Buch von Herrn Müller gibt – entweder ich koche oder er. Die Rezepte sind einfach gehalten, die Zutaten leicht zu bekommen und die Mengenangaben passen. Nicht überkandidelt und sehr alltagstauglich – allerdings fügt Nelson Müller ab und an einen Twist hinzu, den ich so noch nicht kannte und der das Gericht interessanter und moderner macht. Was ich gut finde: er kommt nicht dem albernen Trend nach, Klassiker irgendwie leichter machen zu wollen. Wo Sahne, Butter oder Schmalz dazugehören, werden sie verwendet. Diät ist morgen wieder. Die Rezepte sind authentisch, leicht nachkochbar und unglaublich lecker. Nur beim bayerischen Backhendl muss ich ihm widersprechen: Nein, die Haut bleibt nicht dran. Aber das ist Geschmackssache.
Und deswegen bin ich Nelson Müller so dankbar
Es sind nicht die Rezepte allein. Mich freut es unbändig, dass ein Koch das Buch „Heimatliebe“ genannt hat. Denn mit diesem Gefühl tut man sich schwer in Deutschland, ich kenne außer Nelson Müller keinen, der sein Buch unverkrampft so hätte nennen dürfen. Der wunderschöne Titel bringt zwar die Emotionen auf den Punkt, aber – öh Heimat? Schließlich sind wir Deutschen die, die im Ausland englisch radebrechen, damit sie niemand als Deutsch identifiziert, die gerade panische Angst haben, irgendwie zu viel aufs eigene Land zu geben. Whatever. Unsere Küche können wir einfach so lieben – danke dafür!
Kirwaschmierkuchen aus der Oberpfalz wird ausschließlich mit Hefeteig gebacken. Kerwa heißt es in Franken. 😉
Grüße aus der Oberpfalz
Verzeihe einer Oberbayerin – und das ist interessant, mir war der Teig unten gar nicht bewusst
😄 Der Teig ist Nebensache, die Schmier ist die Hauptsache, wobei ich nicht so der Fan der Griesschmier bin, Kasschmier (Quark) und Mohn sind mir lieber.