Ich habe das Thema schon eine ganze Weile in der Schublade liegen, denn es ist schwierig für mich: ich hab mich schockverliebt, als ich das Fahrrad auf einer Ausfahrt testen durfte. Die PR Firma hatte ein perfektes Setting gewählt: die Wege im nördlichen Tel des englischen Gartens. dort ist es ruhig, so ruhig, dass dort Schafherden ihre Bahnen ziehen, die Wege waren trocken, die Sonne lachte, am Ende des Wegs wartete ein wunderbares Picknick. Perfekt. Auch das Fahrrad kann ich nicht aufhören zu loben, es war das Cleopatra Fahrrad der Schweizer Marke EGO Movement. Besser kann ich mir kein Fahrrad vorstellen. Die günstigere Variante mit Heckmotor (um die 1880 Euro) sagte mir mehr zu als die Teurere mit Mittelmotor. Der Heckmotor gibt von Anfang an einen gewissen Schwung, der Mittelmotor schiebt sanfter und kontinuierlicher. Aber ich habe das Gefühl, der Heckmotor hat mehr Wumms. So ein E bike ist meilenweit entfernt vom Rentnergefährt, als das es viele verspotten.


Die Fahrräder waren bequem, hochwertig verarbeitet und extrem stylish. Drei schicke Farben, Weiß, Schwarz und Bronze, Ledergriffe, Ledersattel, Möglichkeiten zur Anbringung von Einkaufskörben. Mit 60 – 80 Kilometer Reichweite perfekt für die Stadt geeignet, den Akku kann man entnehmen und gesondert vom Fahrrad aufladen, in 6-7 Stunden ist er voll. Die Fahrräder sind mit 23 Kilo auch nicht sonderlich schwer für ein E-Bike. Und ich hab mal Vollgas gegeben, als ich dazu Platz hatte, und 25 Kilometer sind echt schnell. Es war herrlich. Nach der Probefahrt wollte ich sofort so ein Fahrrad der Schweizer Firma haben. Das perfekte Fortbewegungsmittel in der Stadt. Aber…
…dann kamen mir Bedenken. Denn der Rest von München ist eben nicht so perfekt wie der Nordteil vom englischen Garten. Auf den Fahrradwegen rennen einem permanent Passanten, Kinder, Hunde vor die Reifen, Lasttransporte werden abgestellt oder Autofahrer nutzen den Radweg, „mal kurz“ raus zum Bäcker zu gehen. Geschäfte stellen dort ihre Waren ab, Wirte ihre Stühle. Und mit 20-25 km/h ist man ziemlich schnell und weicht man ihnen auch nicht so leicht aus. Außerdem unterschätzen Autofahrer und Fußgänger die Geschwindigkeit, wenn man ein E-Bike nutzt. Das birgt große Gefahren. Denn Autofahrer denken, es noch locker zum Abbiegen zu schaffen, weil sie mit den üblichen Radgeschwindigkeiten kalkulieren, auch Fußgänger meinen, sie hätten noch reichlich Zeit. Und dem ist nicht so. Da ist noch viel Gewöhnung an elektronische Fahrräder notwendig. das hat noch keiner so richtig auf dem Schirm. So hätte ich (zugegeben ein eher ängstlicher Mensch) Angst, permanent wen zu überfahren oder überfahren zu werden. Eine Gefahr, die ich jetzt bei mir weniger sehe ist die, dass man selbst nicht mehr die Schubkraft kontrollieren kann. Doch gerade viele Rentner, die das Radl mit Motor nutzen, können nicht mehr bremsen, verlieren die Kontrolle und fahren in Fußgängergruppen, über rote Ampeln oder in Hecken und Mauern.
Hätten wir in München Radwege wie in Holland oder Schweden, das Fahrrad wäre längst meins. (ich denke trotzdem darüber nach) Es lohnt sich bei dieser Gelegenheit, sich zu überlegen, wie der Verkehr in den Städten aussehen soll. Es wird über Diesel oder Nichtdiesel diskutiert, aber die Prämisse „natürlich Auto“ scheint in Stein gemeißelt. Dabei ist das eigentlich Blödsinn. Denn E Bikes, Motorroller, Fahrräder, ja sogar Longboards und Sedgeways etc wären für den innerstädtischen Individualverkehr viel besser geeignet. Keine Parkplatzprobleme, die Räder sind mit 20 km/h durchaus schnell, um in einer Stadt wie München gut von A nach B zu kommen, oder auch an den Starnberger See. Die Abgasprobleme wären Geschichte. Und sicherer wäre dieser langsamere Verkehr auch. Bei Regentagen weicht man eben auf die U-Bahn aus. Ja, ich weiß, ganz viele Menschen werden jetzt entsetzt aufschreien. Klar, die Leute auf dem Land brauchen Autos, man braucht auch Autos, um zu Ikea oder zum Großeinkauf auf der grünen Wiese etc zu kommen. Aber sonst…ich halte Autos in der Stadt für verzichtbar. Wenn man eins braucht, kann man es sich leihen. Das wäre ideal. Aber vermutlich warte ich noch einige Jahre und dutzende Skandale, bis die Deutschen endlich ihren Autofetisch loswerden.
Aber was wäre das für eine schöne Welt voller glücklicher Radfahrer.
Auto ist Luxus und Komofort … Ich als weibliches Wesen, sitze lieber in meinem Auto im Stau, als in den öffentlichen Verkehrsmitteln wo zig Leute die es z.B. mit Körperhygiene (und damit meine ich nun nicht unbedingt Schweiß) nicht so genau nehmen, oder man unangenehme Begegnungen hat. Ich habe jahrelang öffentliche Verkehrsmittel genützt und kurz vor meinem Führerschein war es soweit das ich die meisten Strecken nur noch zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt habe um genau dem zu entkommen. Auch heute fahre ich bis zu dreimal in der Woche mit dem Rad ins Büro, teilweise auch im Winter, aber an den wirklich heftigen Tagen (Schnee, Glätte, Regen) bleibe ich beim Auto.
Um Probleme im Straßenverkehr zu verringern, Parken, Stau, etc. braucht es mehr als weniger Autos und zwar eine wirklich gute Stadtplanung. Ich kann jetzt nicht über München sprechen, aber in dem Bezirk in Wien, in welchem ich lebe, ist man dazu übergangen so gut wie jedes freie Feld und frei werdende Grundstück (auf welchen früher Einfamilienhäuser standen) Wohnungen, Doppel- und Reinhäuser zu bauen … Sprich in eine Art Ortschaft in welcher früher einige Tausend lebten, leben nun einige zigtausend … bei nur langsam angepassten Öffis und exakt denselben Straßen und Parkmöglichkeiten wie früher … 1+1=2 – ergo das kann einfach nicht gut gehen.
Ich lebe in München seit vielen Jahrzehnten ohne Auto. Manchmal nervt es, aber die meiste Zeit ist es völlig okay. wir haben hier eine derartige Parkplatzknappheit…außerdem, für das Geld, was ich nicht für Auto etc bezahle, kann ich viel Taxi fahren. Die Unbequemlichkeit und den Siff in den öffentlichen Nahverkehrsmitteln ist etwas, was ich nachvollziehen kann, vor allem seit 2015 ist es hier viel dreckiger, lauter, unsicherer geworden…aber im Vergleich zu anderen Städten geht es da München noch Gold.