Weltoffenheit kann man lernen – oder: mein erstes Kinderkochbuch

Ich glaube, ich war so um die 10 oder 11, als mir mein Onkel Kurt ein Kinderkochbuch geschenkt hat. Nicht irgendeins, nein, denn Onkel Kurt war schon damals das, was man heute als politisch korrekt oder woke bezeichnen würde. Deswegen bekam ich ein UNICEF-Kinderkochbuch mit 41 Rezepten aus 41 Ländern. „Koch mit uns!“  Liebevoll bebildert mit Kindern aller Hautfarben in ihren Nationaltrachten. Es hat mein Leben verändert. Denn – wir müssen da mal eine kurze Zeitreise machen – wir schreiben das Jahr 1976 und noch war es nicht soweit, dass wir jedes Jahr in allen Länder des Erdballs Urlaub gemacht hätten. Genauso wenig gab es in einer bayerischen Kleinstadt wie Rosenheim Lokale, die exotische Küchen geboten hätten. Italiener, ein Balkan-Grill und Griechen – soweit ging es mit dem Ausland. Ein Thailokal namens Siam kam erst in den 80ern dazu.

Und da las ich nun im Unicef-Kochbuch staunend von Erdnusssuppe aus Nigeria, Guacamole aus Mexiko, Teriyaki-Huhn aus Japan oder Fleischbällchen aus Schweden. Das war damals unfassbar exotisch, das war aber auch unfassbar spannend. Ich hatte mir zuvor keine Gedanken gemacht, was andere Länder so essen. Ob Geschmäcker über die Welt hinweg komplett voneinander abweisen könnten. Ja, wahrscheinlich. Ich kannte die bayerische Küche meiner Mama und vor allem meiner Großmütter, viele italienische Gerichte, die mein Vater in Perfektion kochen konnte, und das war es. Aber da hatte ich noch keinen Bezug dazu, was alles so möglich ist am Herd. Das Kochbuch hat das verändert – und zwar für immer. Der kleine Band war ein Augenöffner. Ich bat meine Mutter, doch mit mir mal ganz andere Dinge zu kochen, Hühnereintopf aus Zaire war das erste Gericht, das schmeckte auch dem Rest der Familie gut. Irgendwann probierte ich es selbst, Bananenpudding aus Barbados konnte ich bald allein zubereiten.

Ich bin meinem Onkel unendlich dankbar dafür, dass er mir das Buch geschenkt hat. Es hat meinen Horizont wesentlich erweitert und mein Leben dadurch besser gemacht. Es sind manchmal diese ganz kleinen Dinge, die einen enormen Unterschied machen…

Appetit auf die Küchen dieser Welt

Klare Sache: die Rezepte waren stark europäisiert, das weiß ich heute. Aber anders wäre das damals nicht gegangen, die echten Zutaten wären nirgends zu bekommen gewesen. Aber das war egal. Das Buch hatte so oder so meine Appetit auf die Küchen dieser Welt geweckt und dieser Appetit ist bis heute geblieben. Und die Offenheit für andere Länder auch. Das Buch ging leider irgendwann einmal verloren – ich habe es jetzt bei Amazon antiquarisch wiedergefunden und habe beschlossen, es den Kindern in meiner Umgebung nahezubringen. Denn schließlich vereint nichts so sehr wir gemeinsam kochen und gemeinsam genießen. Mir hat das Buch einen Weg geöffnet, die Welt, ihre Bewohner und deren Essgewohnheiten kennenlernen zu wollen – vielleicht nutzt das bei anderen Menschen auch etwas?