Wunderschönes Föhr – zu Gast beim Waastwinj in Utersum

Zur nächsten „Etappe“ unserer kleinen Schleswig-Holstein-Tour ging es weit nach Norden, fast bis an die dänische Grenze. Die Weite des Blicks ist für mich im Norden etwas ganz Besonderes. Ein helleres Licht als in Bayern, der Himmel ein blasseres, irisierendes Blau, die Landschaft flach – so war für uns schon die Reise zwischen der Lübecker Bucht und der Nordseeküste ein Erlebnis. Vorbei an Kiel, Flensburg zum Fähranleger Dagebüll. Etwas zu früh, so gingen wir zu Fuß ein paar hundert Meter vom Parkplatz zur Fähre. Ich komme gern mit dem Schiff auf einer Urlaubsinsel an, da werde ich zum kleinen Kind. Die Sonne schien, nur ein kalter Wind wehte, aber wir blieben trotzdem an Deck. Ich liebe die Möwen, die salzige, nach Algen riechende Luft, die auf der Zunge und in der Nase zu britzeln scheint,  die Gischt und das blau-grau-grüne Wasser der Nordsee. Es war leider nur eine halbe Stunde Fahrt und wir waren im Hafen von Wyk, der „Hauptstadt“ von Föhr. Es wartete schon ein Taxi auf uns, denn unsere Endhaltestelle war Utersum, ein Dorf auf der anderen Seite der Insel. Super, wir durchquerten so ganz Föhr und konnten uns schon einen ersten Eindruck verschaffen. Der Taxler erzählte von Walfängerdörfern, vom besten Bäcker der Insel und von den uralten Hügelgräbern, während wir dran vorbeifuhren. Einen besseren Start hätten wir uns nicht wünschen können!

Hotel Waastwinj – wo der Westwind weht

Unser Hotel war das Waastwinj – Westwind im Dialekt der Insel, mitten in Utersum gelegen. Zum Hotel gehört auch ein Lokal, das Hennigs, in dem es auch das Frühstück serviert wird. Das Hotel ist frisch renoviert – die Einrichtung ist nordisch schlicht, nicht weiß-shabby-schick wie in so vielen anderen Ferienwohnungen, sondern wesentlich moderner und cooler. Die Farben Schilf, Salbei, Grau und ein sanftes Türkis dominieren – eine Farbpalette, die ganz bewusst die Farben der Nordsee aufnimmt. Mir haben die großen, geräumigen und gemütlichen Zimmer gut gefallen. Das Waastwinj ist ein Hotel für Menschen, die Modernität mit Tradition verbinden und exzellente Gastfreundschaft schätzen. Leider war die Sauna in einem kleinen, romantischen Waggon im Garten aus Corona-Gründen geschlossen. Wir hätten gerne eine Relaxzeit dort verbracht, aber Hygiene geht vor.

An den Wänden der Flure im Hotel hängen Bilder vom Anfang des 20. Jahrhunderts, Damals entschloss sich etwa die Hälfte der Bevölkerung von Föhr, der Armut zu entfliehen und ein neues Glück und Wohlstand in Amerika zu suchen. Mit dem Westwind segelten sie davon. Viele blieben gleich in New York hängen, gründeten dort Geschäfte und Bäckereien. Die Auswanderer und ihre Nachkommen haben aber die alte Heimat nicht vergessen und kommen gern zu Besuch – so ist der Manhattan-Cocktail neben dem Grog ein Standardgetränk in Föhr.

Zum Strand sind es vom Hotel etwa 10 Gehminuten, über weite, windige Felder, umsäumt von knorrigen Hecken und vom Seewind verdrehter Bäume. Außerordentlich malerisch. So malerisch wie der Strand hinter dem Deich, bei dem die meisten der bunten Strandkörbe im Oktober verriegelt waren, aber eben nicht alle. Ein traumhafter Platz, um mitgebrachte Buttercroissants vom Bäcker Hansen (mehrere Filialen auf Föhr) und Tee aus der Thermoskanne zu verzehren. I like! Wir wanderten zwischen Deich und Watt herum, es war gerade Ebbe und die Wattwürmer hatten ihre liebe Not, den Scharen von Seevögeln zu entkommen. Das Wetter war klar und wir sahen Sylt und Amrum, die Inseln liegen vor der Küste bei Utersum. Bei gutem Wetter kann man – mit einem Guide!!!! – nach Amrum durchs Watt wandern. Bitte nicht allein versuchen. Wir gingen einfach so am Strand entlang, die Sohlen quietschten im Matsch, und der Nordsee-Himmel führte für uns und die wenigen anderen Touristen ein Spektakel der Sonderklasse auf. Wild wehende Wolken, Regenbögen, Sonne – das gesamte Programm. Die Schafe am Deich kuckten kurz hoch und grasten dann weiter, die kannten das alles wohl schon.

Beste Hausmannskost für echte Seebären

Zum Hotel Waastwinj gehört auch ein Lokal, das Hennigs. Auch hier ist die Einrichtung schlicht, aber schön. Unbedingt reservieren, wenn ihr nicht im Hotel wohnt, das Hennigs ist bei Föhrern und Touristen gleichermaßen beliebt. Deftige Küche, so richtig passend für den Norden – ich zum Beispiel wählte Muscheln in einer fein abgeschmeckten Gemüsesahnesauce, so mächtig und rahmig, dass sie einen echten Seebären bis auf die Knochen wärmen konnten. Dazu gab es knusprige Bratkartoffeln und Salat. Mein Freund bestellte Lammhaxe mit Speckbohnen und Rösti, die er kaum schaffte – das will echt was heißen. Die Qualität erkennt man an Kleinigkeiten: das Dressing zum Salat wird in einem Kännchen serviert und ist hausgemacht, eine Art Sylter Salatfrische – aber eben viel frischer und besser als die berühmte Sauce aus der Flasche. Stünde das Hennigs in München, es wäre eines unserer Lieblingslokale, soviel steht fest.

Radtour über die Insel

Am nächsten Morgen gab es Frühstück. Das Waastwinj hat ein interessantes Corona-Konzept, das mir sehr gefallen hat und das Zeug hat, auch nach der Pandemie zu bestehen: am Abend können die Gäste auf einer Liste ankreuzen, was es denn so geben soll am Morgen. Das wird dann auf einem Tablett angerichtet an den Tisch serviert. Ich fand so ein Frühstück ohne Herumgerenne im Raum sehr entspannt. Und der Hotelier Roluf Hennig hat uns verraten, dass er dank seinem Konzept viel weniger wegwerfen muss – so geht Nachhaltigkeit!  Nach dem Frühstück hatten wir es dann doch ein wenig eilig, denn für den Nachmittag war Regen angesagt. Wir liehen uns beim Fahrradverleih Lindemann Räder aus, tauschten die geplanten Fahrräder gegen E-Bikes aus, so dachten wir, kämen wir weiter herum. Es war eine gute Wahl. Wir wollten nochmal die Hauptstraße abfahren, das sehen, was uns vom Taxi aus gefallen hatte. Wenn das Wetter mitmachte, war Wyk unser Endziel. Um es vorweg zu nehmen, das klappte nicht. Wir haben Wyk erst am Abreisetag wieder gesehen – aber wir waren ja auch nur auf Stippvisite da…Unsere erste Etappe war das Dorf Nieblum, in der Mitte der Insel und eins der schönsten Dörfer Deutschlands. Und es war selbst in dem trüben Herbstwetter bezaubernd und romantisch. Viele Kapitäne und Walfänger bauten sich dort einst ihre Häuser, der Reichtum ist heute noch spürbar. Das Dorf ist ein kleines Schmuckkästchen und ich würde im Sommer dort gerne Zeit verbringen, es gibt süße Boutiquen, einen mystisch anmutenden Teeladen und viele Lokale und Bars. Die Häuser sind schmuck und mit Reed gedeckt, mit den letzten blühenden Rosen in den Vorgärten. Wir gingen auch auf Empfehlung auf den alten Friedhof, um die „sprechenden Steine “ zu sehen. Die Grabsteine auf dem Friedhof erzählen nämlich Geschichten von der rauen See, vom Walfang und seinen Gefahren. Das Wetter wurde jetzt wirklich schlecht, eine Art Schneeregen, und wir beschlossen, umzukehren. Ein letzter Halt bei den uralten Hügelgräbern, deren Geschichte vergessen ist, genau wie die derer, die darin liegen.

Zurück im Waastwinj wärmten wir uns mit einem heißen Tee auf und wollten abwarten, ob das Wetter noch einmal aufklart – anders als in Bayern kann es sich an der Küste stündlich ändern. Und Föhr tat uns den Gefallen, wir radelten dann noch am Deich entlang, vorbei an Schafen, Möwen und noch mehr Schafen und genossen die Einsamkeit und den unendlich wirkenden Himmel über uns. Am Abend kehrten wir noch einmal im Hennigs ein, dann hieß es Abschied nehmen von Föhr. Leider, denn die Insel zeigte sich am Abreisetag von ihrer sonnigsten Seite.

Anreise: Mit dem Auto am Fähranleger Dagebüll parken, ein Shuttlebus bringt einen zur Fähre, die alle 30 Minuten fährt. Pro Person kostet die Überfahrt 14 Euro. Der Parkplatz pro Tag 7,50. Das Taxi von Wyk nach Utersum kostet zwischen 15-20 Euro.

Hotel Waastwinj & Restaurant Hennigs
Jaardenhuug 2 · 25938 Utersum
info@waastwinj.de · 04683 963330

Ich durfte im Wastwinj zwei Nächte verbringen.

 

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