Nach Corona wird’s wie vor Corona – nix Neues beim Reiseverhalten, oder?

Valerie Wagner vom Blog Hotel -O-Motion hat zu einer Blogparade aufgefordert, an der ich mich gerne beteilige. Es geht um der Deutschen liebstes Thema – das Reisen. Wie ändert sich unser Reiseverhalten durch Corona – oder: ändert sich es überhaupt? Gleich vorweg: Ich bin mir ziemlich sicher, dass nicht. Zum einen hat Deutschland die Krise (glücklicherweise) nur leicht erwischt, im Vergleich zu anderen Ländern und bislang war die Krise viel zu kurz, als dass sich das Verhalten hätte ändern können. Im Gegenteil hat das erzwungene Daheimbleiben das Fernweh nur noch weiter befeuert.

McKinsey hat bei seiner Studie folgendes herausgefunden:

  • Die Deutschen haben wieder Lust zu reisen: Das Suchvolumen ist mittlerweile um 60% höher als zu Jahresbeginn.
  • Reisen innerhalb Deutschlands sind so beliebt wie nie: die Nachfrage ist im 36% höher als nach Auslandsreisen
  • Last-minute-Reisen gewinnen an Bedeutung
  • Die Lieblingsauslandsdestinationen der Deutschen bleiben die gleichen wie vor der Pandemie
  • Die deutschen Küsten sind die Krisengewinner
  • Der Trend geht hin zu längeren Reisen auf Kosten von Kurztrips
  • Die Nachfrage nach Ferienhäusern und -wohnungen hat sich in der Krise verdoppelt
  • Die Zahlungsbereitschaft vor allem für naturnahe Destinationen bleibt unverändert

Erwartbare Ergebnisse der Umfrage zu Reisegewohnheiten

Campingidylle am Höllensteinsee

Klar, dass wir während einer Pandemie anders reisen wollen, ist selbstverständlich. Niemand (außer den Dümmsten) will sich bei Bierduschen und Ballermann mit einem potentiell tödlichen Virus anstecken. Niemand will wochenlang auf irgendeinem Eiland fernab aller Zivilisation in Quarantäne verbringen müssen, wie es Bekannten von mir erging. Niemand will verzweifelt das letzte Flugzeug der Lufthansa erwischen, das aus Mexiko City abfliegt – wie der Sohn meines Freunds es erleben musste, der weit vor der Pandemie zu Freunden nach Mexiko gereist war… Deswegen ist es logisch, dass sich das Reiseverhalten jetzt ändert. Ich sehe es an mir: die Pläne zur Reise nach Vietnam, die eigentlich angestanden hätte, sind erstmal vom Tisch. Ebenso wie die Flugreise in die Ägäis…Aber ab in den Urlaub wollen wir natürlich trotzdem: deswegen sind Ziele, die wir mit dem Auto erreichen können (und auch leicht mit dem eigenen Auto wieder verlassen können) das, was wir bevorzugen. Also entdecken wir die Schönheiten von Deutschland – die übrigens außerordentlich sind. Bayern, Österreich oder wie in den 70ern und 80ern mit meiner Familie: Italien rund um Grado, eine völlig unterschätzte Gegend, an die ich allerbeste Kindheitserinnerungen habe. Dieser Teil der Adriaküste ist von uns aus gesehen näher als die deutschen Küsten – deswegen wandert ganz Bayern über die Alpen nach Italien und wuselt durch Venetien oder Cinque Terre. So wie wir übrigens  auch. Im Oktober geht es dann nochmal zur Wellness an Nord-und Ostsee. Ich kann mich nicht beklagen, ich komme auch in diesem Jahr herum. Ich persönlich habe keine Angst vor einer Ansteckung, ich verhalte mich recht vernünftig und meide allzu große Menschenansammlungen.

Idylle im englischen Garten

Dass Last-Minute einen Aufschwung erlebt, macht ebenso Sinn: Wir alle wollen erstmal checken, wie sich die Lage entwickelt. An einen virenverseuchten Strand mit ein paar Superspreadern im Hotel braucht kein Mensch. Also Abwarten und dann reisen, wenn es sicher scheint. Außerdem: wer will buchen, dann alles stornieren müssen und sich mit den Veranstaltern um die Kohle streiten? Und wenn man schon mal wo ist, dann bleibt man auch. Kurztrips lohnen während der Pandemie nicht so richtig – wir haben einen kleinen Campingkurzurlaub eingelegt und ich muss sagen, das nächste Mal bleibe ich auch länger. Man muss für vier Tage genauso viel Equipment einpacken wie für 14 Tage. Hotels mit Maske und Bedienung am Buffet, wie es Valerie beschreibt,  wird mir die Freude am Hotelurlaub schon ein wenig vergällen. Ich hasse es, wenn man mir am Buffet das Essen zuteilt und mir schöpft – das ist für mich ein NoGo.Deswegen – eigenes Zelt oder Ferienwohnung. Soweit sind die Ergebnisse von McKinsey so logisch wie erwartbar. Nothing new to see.

Aber was wird in den kommenden Jahren davon bleiben?

Ich würde sagen: es wird sich wenig an unserem Reiseverhalten ändern. Vor Corona ist wieder nach Corona – das neue New ist das alte Old. Sobald sich alles normalisiert, vielleicht, weil sich das Virus von selbst verzieht oder weil ein Impfstoff kommt, werden auch die Reisegewohnheiten sich schleunigst normalisieren. Die Menschen werden wieder ausschwärmen, nach Thailand, Vietnam, nach Spanien oder in die Türkei. Vermutlich werden sogar Billigangebote noch gefragter sein als vor der Krise, denn wenn erst die Pleitewelle durch Deutschland rollt, wenn immer mehr Menschen durch freiwilligen oder erzwungenen Konsumverzicht die Konjunktur abwürgen, wird wenig Geld da sein für nachhaltigere Angebote. Finde ich persönlich schade. Das ist so ein Punkt, den ich der McKinsey Studie nicht abnehme. Klar, alle sagen, sie würden lieber nachhaltig und umweltbewusst Urlaub machen. Aber will wer dafür wirklich zahlen? Ich vermute – Nein. Bei nachhaltiger Mode sagen auch 80 Prozent, sie würden sie kaufen wollen – in der Realität sind es 7 Prozent, die wirklich zu Fair Trade und Bio greifen. Soviel dazu…Ich persönlich reise oft ziemlich Bio – viel mit der Bahn, nachhaltige Hotels, ich war schon vor Corona gern in der näheren Umgebung unterwegs. Aber das ist alles eine Sache der persönlichen Vorliebe, ich finde eine kleine Pension in Österreichs Bergen viel schöner als eine Bettenburg in Antalya, in der ich ab fünf Uhr morgens einen Platz am Pool erhandtuchen muss. Es gibt viele Menschen, die diese Art Urlaub lieben und ich will sie ihnen nicht madig machen.

Nach der Krise wollen wir alle zurück zu Erol und seinem tollen Strandgrill, zu türkischem All inclusive und Fake Bags an die türkische Mittelmeerküste. Zurück an die Costa del Sol, zum Partymachen nach Ibiza oder Mallorca, zum Yoga nach Bali, ins wunderbare und dazu günstige Thailand. In die USA und nach China wird vermutlich erstmal nicht so geflogen, Brasilien dürfte auch nicht ganz oben in den Hitlisten rangieren. Aber ansonsten? Raus, was die Ferienflieger so hergeben. Ich glaube sogar, unsere deutsche Reiselust wird noch weiter zunehmen – nach dem Motto „Jetzt reisen, wer weiß, wann die nächste Pandemie zuschlägt?“ Einzig Inlandsflüge werden die ganz großen Verlierer sein – die wird es nach Corona nicht mehr geben. In ein paar Jahren – wer weiß? Ich denke, der Mensch ist ein Gewohnheitstier, der nur schwer von einmal lieb gewonnenen Freiheiten lässt.