Drei Fahrradwege für Aschenbrödel oder: so lerne ich Sachsen nachhaltig kennen

Es ist eine peinliche Bildungslücke – ich kenne die Bundesländer im Osten noch lange nicht so gut wie die Westlichen. Ich war noch nie in Naumburg, wo ich eigentlich die Domfiguren ansehen wollte, noch nie in Dessau beim Bauhaus, und meine Besuche in Dresden und Leipzig sind auch schon lange her. Deswegen habe ich mich gefreut, auf einer dreitägigen Pressetour die Weinberge und Radwege zwischen Leipzig und Dresden kennenzulernen – und noch einiges mehr. Gerade jetzt wenn man im Frühjahr die Fahrräder fit macht, ein super Tipp für Radtouren, die noch nicht so überlaufen sind, wie etwa der Donauradweg oder das Altmühltal. Sachsen hat unendlich viel zu bieten – Kultur vom Allerfeinsten, tolle, moderne Städte, aber eben auch romantische Landpartien. Und das noch als sehr günstiger Geheimtipp. Wir kommen aus dem Süden mit dem Zug, etwa 4,5 Stunden braucht man von der Isar an die Elbe.

Landidyll Hotel Moritz, perfekt gelegen am Elberadweg

Ausgangspunkt ist das Landidyll Hotel Moritz nahe der kleinen Stadt Riesa, direkt an der Elbe gelegen. Der ehemalige Vierseithof mit historischen Gebäuden aus dem Jahre 1823 wurde zu einem
gemütlichen 3-Sterne-Superior Hotel umgewandelt. Das Haus ist im Familienbesitz von Familie Donner, die schon den ehemaligen Bauernhof bewirtschaftet haben und mittlerweile liebevoll und mit Sinn fürs Detail zum Hotel umgewandelt haben. Vom Hotel sind es durch den schönen Garten nur 50 m bis zum Radweg. Leipzig oder Dresden sind leicht mit dem Rad erreichbar, besser geht es nicht. Man kann also mehrere Tage bleiben und Städte und Land perfekt mit dem Rad erkunden.

Das familäre Hotel ist gemütlich eingerichtet, das Personal extrem hilfsbereit und freundlich. Kurz auf einen Kaffee auf der Terrasse, die Tische um uns herum gefüllt mit anderen Rad-Touristen. Dann geht es schon zur ersten Station, dem wenige Kilometer entfernten Schloss Seußnitz mit seinen Weinbergen. Das Schloss steht leer, gekauft von einem Münchner, der die Restaurierung unterschätzt hat. Derzeit ist er wieder auf der Suche nach einem Käufer. Wenn ich ein paar Millionen übrig hätte, wäre das eine Idee, ich will ja schon immer ein Schloss. Aber leider, leider…

Schöner könnte sich das Anwesen kaum präsentieren, umgeben von einem teils französischen, teils englischen Schloßpark, mit Aussichtspavillion und sogar eigener Schloßkapelle. Die hat eine Besonderheit: auf den Bänken ist aufgemalt, wer dort zu sitzen hat: die Bäckerin, die Köchin, die Frau vom Braumeister. Die weibliche Seite ist noch erhalten und wir spekulieren, warum ausgerechnet die Köchin einen doppelt so breiten Sitz hat…

Am Abend gibt es ein kleines Dinner im Hotel, es wird mit regionalen Zutaten sehr, sehr gut gekocht: herbstliche Kürbissuppe, Vanilleeis zu in Wein geschmorten Äpfeln, Braten mit Maroni – auch auf Saisonalität wird Wert gelegt, das erfreut mein nachhaltiges Herz.  Dazu gibt es, wie könnte es anders sein, Weine aus der Region. Um diese kennenzulernen, sollte man unbedingt Sachsen besuchen, die kleinen Lagen sind meist dem heimischen Bedarf vorbehalten, kaum etwas wird exportiert. Ich finde es bei Radurlauben immer wichtig, dass man sich nach einer langen, anstrengenden Tagestour auf das Essen freuen kann. Und das passt hier im Hotel Moritz. Alles lecker, die Portionen mehr als ausreichend, aber nix Überkandideltes.

Radweg vorbei am Nobelcampingplatz von August dem Starken

Wir fahren ein Stück entlang des Elbradwegs, es ist ein herrlicher Tag mitten im Herbst – noch immer sehr warm. Durch Dörfer und Alleen rattern wir mit den Bikes über Unmengen von raschelndem Laub und Eicheln, die das Halten des Rades manchmal beschwerlich machen. Aber die Gegend ist wunderschön im Herbstlicht. Auf glitzernden Teichen drehen Entenfamilien ihre Kreise, Greifvögel schweben in der Luft, Wälder voller Eichen, Buchen, Birken säumen die Radwege, oft entlang kleiner Bachläufe. Wir fahren durch kleine Dörfer und einzelne Gehöfte. Sehr ruhig, verwunschen – ein Paradies für Radler. Dennoch begegnen uns nur wenige andere Gruppen. An einem größeren Acker machen wir halt – denn dort steht eine Gedenktafel. Hier hatte einst August der Starke das Thema Glamping auf ein Level gebracht, dass heutzutage den Hipstern die Tränen des Neids in die Augen treiben würde. Für ein mehrmonatiges Manöver liess der barocke Herrscher einen hölzernen Palast bauen, der vermutlich die Größe eines heutigen Oktoberfestbierzeltes hatte. Mit allem TamTam und superviel Golddeko.

Wikipedia weiß noch mehr: „Ein besonderer Höhepunkt des Festes war ein vom Dresdner Bäckermeister Johann Andreas Zacharias und sechzig Bäckerknechten gebackener Riesenstollen. Er war 1800 Kilogramm schwer, 18 Ellen lang (etwa 7 Meter), 8 Ellen (etwa 3 Meter) breit und 30 Zentimeter dick. Er war in einem eigens dafür von Matthäus Daniel Pöppelmann gebauten Ofen gebacken und vom Backhaus Mühlberg aus auf einem von acht Pferden gezogenen Wagen in Augusts Lager gebracht worden. Dort wurde das Backwerk in 24.000 Portionen aufgeteilt und an die Gäste ausgegeben. Bei Streumen wurde ein prächtiges Opernhaus speziell für das Lustlager errichtet.“ Es gab Bordelle, Konzerte, Riesenbankette.  Ein fünfstündiges (!!!) Feuerwerk tauchte die Elbe und die Stadt Riesa in bunte Farben. Damals konnten die Party, aber richtig. Ich finde es immer wieder faszinierend, wie geschichtliche Ereignisse moderne Äcker in etwas ganz Besonderes verwandeln. Vor meinem geistigen Auge sehe ich die Tausende Soldaten, die Höflinge und Edeldamen, höre die Klänge barocker Orchester. Ich würde viel um eine Zeitmaschine geben…

Schloßpark Zabeltitz

Die Endstation unserer Radeltour ist Schloß Zabeltitz mit wahrhaft prächtigem Schlosspark. Ein sehr ehrfürchtiger Guide begleitet uns, erzählt von der Familie, die hier früher gewohnt hat. Und scheucht uns vom Rasen auf die Wege. Wir machen uns auf den Heimweg – es sollte eine kleine Tour werden, aber unser netter Guide hatte sich leicht verradelt und so wurden aus 20 Kilometern fast 40. Macht nix – es gab ein tolles Essen (Kartoffelgemüsepuffer) und so gestärkt machten wir uns auf den Weg zur nächsten Station (davon demnächst mehr). Aber auf dem Weg gab es noch ein ganz besonderes Highlight für mich: die Moritzburg.

Die Moritzburg ist wirklich märchenhaft

Im Herbstsonnenlicht strahlt die Moritzburg. Malerisch in einem See gelegen, ist es ein Jagdschloß von August dem Starken – und Schauplatz von Deutschlands liebster Märchenverfilmung „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Beim Anblick des Schlosses habe ich sofort die wunderschöne Filmmusik im Ohr. Denn natürlich bin ich auch Fan! Besichtigen ist an unserem Besuchstag nicht möglich, aber man kann um das Schloss herumwandern und an der hinteren Treppe ist da, wo das Aschenbrödel seinen Schuh verloren hat, eine Replik in Messing. Jede Besucherin kann ihn probieren. Ich müsste mir die halbe Ferse abhacken, natürlich ist mir der Prinzessinnenschuh viel zu klein. Ich finde die Idee aber süß und genau richtig für Filmfans, die übrigens einmal im Jahr hier ein Treffen veranstalten. Vielleicht muss ich hier irgendwann mit meinem Prinzen hin, denn natürlich ist die Moritzburg mehr als beliebt für Brautpaare. Wer mehr Zeit hat, kann auch einen Abstecher nach Meißen machen und dort die Porzellanmanufaktur besuchen – uns reicht die Zeit leider nicht.

Wir fahren nämlich weiter bis zum Hotel Erbgericht nahe Bautzen in der Oberlausitz, wo es wieder Wölfe gibt und ein leibhaftiger Zauberer früher sein Unwesen getrieben hat. Davon demnächst mehr – ich hoffe, ich konnte euch ein wenig für Radfahren an der Elbe begeistern!