Mobilität – der Zug der Zukunft kommt ohne Fahrplan aus

Es gibt Termine, die sind spannender als andere. Zum Beispiel neulich, als die Deutsche Bahn zu einem Zukunftsworkshop einlud. Auf einer Fahrt im neuen ICE4 zwischen München und Nürnberg sprachen vier Referenten, die uns ihre Vision der Zukunft nahe brachten. Und die Zukunftsvisionen der Bahn. Aus dem Vortrag (samt Interview) von Professor Rammler zur innerstädtischen Mobilität will ich noch einen Beitrag machen und zum Datingverhalten der Zukunft…

Julia Jaspers Copyright: Deutsche Bahn

Nachhaltigkeit wird groß geschrieben

Aber heute geht es um die Bahn – erstmal: ich finde es super, in welche Richtungen da gedacht wird. Für die Bahn sprach Julia Jaspers, sie ist bei der Bahn für Zukunftsforschung und Nachhaltigkeit zuständig – schön, dass das Hand in Hand geht. Deswegen sind ein wichtiger Teil der Zukunftsvisionen sehr konkrete Pläne und Vorgaben zu Nachhaltigkeit und grünem Strom (bis 2040 völlig Co2frei). Die Bahn ist eh ein sehr grünes Fortbewegungsmittel…

Wesentlich visionärer sind Züge ohne Fahrplan. Das hat mich sehr überrascht. Gedacht ist es jedenfalls, dass Züge nur noch ein Teil einer ganzen Kette verschiedener Fortbewegungsmittel sind (intermodale Reiseketten sind der Fachbegriff). Das heißt, eine Reisende gibt ein, wo sie ist, und wann sie wo sein möchte. Der Planer spuckt dann nicht mehr nur aus, welche Züge im Zwei-Stunden-Takt vom Hauptbahnhof losfahren, sondern es wird autonome Kleinbusse geben, Überlandbusse, Züge, Sharing-PKWs. also eine ganze Reihe Möglichkeiten. Das ist cool – vor allem für Menschen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind oder in ländlichen Gegenden wohnen… Oder Züge fahren dann, wenn genug Passagiere dafür da sind – das wird in Frankreich schon getestet.

Der Döner und die Gepäckablage nerven

Natürlich mache ich mir auch so meine Gedanken – was wäre mir als Reisender wichtig? Grüne Energie ist unabdingbar, das freut mich sehr. Ich muss aber gestehen, dass mangelnde Verbindungen eher selten mein Problem gewesen sind. Ich kann mir meine Zeit so einteilen, dass ich nicht alle 5 Minuten eine Verbindung brauche. Mich stören am Bahnfahren andere Dinge. Und ich fahre viel und eigentlich auch gern Bahn – ich habe keinen Führerschein, und erledige fast alles mit dem öffentlichen Nahverkehr oder der Bahn. Mich nerven mangelnde Gepäcksaufbewahrungsmöglichkeiten, denn bei den Ablagen über den Sitzen wird immer noch mit dem Begriff „Hutablage“ hantiert und weniger an dicke Trolleys gedacht. Ich werde sauer bei viel zu lauten Telefonierern oder Mitreisenden mit miefigem Döner oder Fischsemmel im Abteil…Zugegebenerweise alles Dinge, die die Bahn so nicht beeinflussen kann (außer, wie von mir mal spaßeshalber vorgeschlagen, wenn es nicht nicht nur stille Wagons gäbe, sondern auch Wagons ohne Essenserlaubnis).

Zukunftsforscher Harry Gatterer

Und: „Vergesst bei aller Begeisterung für das technisch Machbare den menschlichen Faktor nicht“ – dieser Satz von Zukunftsforscher Harry Gatterer, der auch einen Vortrag hielt, ist mir im Gedächtnis kleben geblieben. Harry Gatterer schilderte eine Zukunftsvision aus den 60ern, dort flog eine Familie zwar mit einem fliegenden Auto zur Arbeit oder zum Shopping in eine ultrafuturistische City, aber das Rollenbild der Familie war ein Uraltes. Die Vision wirkt durch das klischeehafte Familienbild altbacken und unbrauchbar. Das Soziale und Menschliche muss immer mitgedacht werden – wo entwickeln wir uns hin als Gesellschaft? Menschen wollen beim Reisen nicht nur kühle Effektivität, sondern Bequemlichkeit, und, ja, Wärme. Julia Jaspers auch dafür auch einige Ideen im Gepäck: Es gibt auch Pilotprojekte mit Kosmetiksalons, Yoga etc in den Zügen – und das Wlan soll besser werden (spontaner Applaus bei den Teilnehmern). Für Pendler soll es Abteile zum Hinlegen geben oder einen Raum, in dem man ungestört Arbeiten kann. Das sind wirklich gute Ideen.

Mehr Nachtzüge!

Witzigerweise forderten die Zukunftsforscher mehr Nachtzüge und kleine Abteile, die die Bahn gerade erst abgeschafft hat – der ICE4, in dem die Vorträge gehalten wurden, hat nur noch Großraumbereiche. Das ist kein echter Fortschritt. Ich erinnere mich noch, als ich früher Bahn gefahren bin, auch viel Interrail. Da konnte man die Sitze in den kleinen Abteilen zu Liegeflächen umwandeln, man konnte das Licht ausmachen, die Vorhänge zuziehen und tatsächlich so durch die Nacht fahren und relativ bequem schlafen. Ich bin auch mal von München wirklich mit dem Schlafwagen nach Berlin gefahren, samt Bett und Dusche -das war ein Erlebnis! Mit einem guten Frühstück im Speisewagen gekrönt. Und derzeit? Gnadenlos gleißt das helle Neonlicht die Nacht durch, man kann sich auf den Sitzen in eine halb liegende Position bringen – bequem ist das nicht. Erholsam? Nicht wirklich. Das ist schade, denn ich halte die Bahn für ein richtig gutes Fortbewegungsmittel. Die Strecken werden schneller, die Verbindung München-Berlin begeistert mich, auch zwischen Frankfurt und Köln auf einer extrem schnellen Strecke zeigt sich, wie Zugfahren in Zukunft sein könnte. Ich träume von 2 Stunden München-Frankfurt, 4 Stunden nach Hamburg – dann wäre die Bahn immer die bessere Alternative.

Ich möchte eine mobile Coworkingspace, die durch Deutschland fährt und bei der man Meeting und Brainstormings on the Go veranstaltet, ich möchte Schlafwagen oder Dösewagen mit gedimmter Beleuchtung, ich möchte Wagen mit großer Leinwand für Fussballübertragungen während der WM, After Work Bars in Zügen, ich will sowas wie Foodtrucks auf Schienen oder fliegende Händler wie in Indien und Thailand auf den Bahnhöfen, die frisches Essen durchs Fenster reinreichen. Da werde ich bei meinen Zukunftsvisionen doch wieder recht altmodisch…

Was würdet ihr euch wünschen von der Bahn?

 

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