Was ich über die arabischen Emirate und deren Einwohner gelernt habe…

Bursh Khalifa - das höchste Gebäude der Welt steht in Dubai

Dieses Jahr über Weihnachten hat sich für mich eine fantastische Gelegenheit ergeben. Ich bin mit meiner Freundin Afrah und ihrer Tochter Fatma nach Abu Dhabi und Dubai gereist. Zu ihren Freundinnen vor Ort, echten Emiratis. Es war unglaublich, diese Gastfreundschaft zu erleben, die privaten Wohnungen und Häuser, die Art, wie die Leute miteinander umgehen. Wie sie feiern, wie die Welt der Frauen fein getrennt ist von der Männerwelt. Wie sich Geschwister umeinander kümmern. Ich habe die Läden in den Tankstellen gesehen, die eigentlich auch schon wieder kleine Malls sind, ich kenne jetzt Drive-In Cafes und Shops. Und natürlich habe ich einige Bauwerke, Restaurants und ihre Malls und Supermärkte besucht – alles ist unglaublich beeindruckend. Deswegen reisen jedes Jahr Millionen Menschen in die Golfstaaten. Aber nur sehr wenige WestlerInnen erleben das, was ich erlebt habe. Denn ich habe so Einblicke in das private Leben dieser Menschen gehabt, von denen wir wenig mehr wissen als Vorurteile. Und das finde ich unglaublich schade. Es ist eins der größten Probleme, dass wir alle so wenig voneinander wissen. Deswegen hab ich ein paar meiner Beobachtungen hier für euch aufgeschrieben.

die große Moschee in Abu Dhabi hinter Bäumen im Sonnenschein
die große Moschee in Abu Dhabi

Die Nacht ist die liebste Tageszeit

Die Wunder der „Arabian Nights“ besingt der Dschinn im Musical Aladdin – und tatsächlich ist die Nacht die liebste Tageszeit, nicht nur im Ramadan. Wenn die Sonne untergeht, werden arabische Malls, Restaurants und Flaniermeilen so richtig voll, denn dann wird es kühler. Ich bewundere die Leute, denn der Tag beginnt für viele Arbeitende früh, nach dem ersten Gebet um 5.30 Uhr sitzen sie um 6 Uhr im Büro und arbeiten bis 14 Uhr, dann ist der Arbeitstag erstmal vorbei. Dann wird eine Art Siesta gehalten, bei Sonnenuntergang geht es dann wieder los. Sogar die Kinder spielen bis spät in der Nacht, begleitet von ihren philippinischen Nannies. Besuche bei anderen Freunden finden am Abend statt. Abends gegessen wird auch relativ spät. Für mich ist das so nicht ideal, aber so ist das eben und ich habe mich den örtlichen Gegebenheiten angepasst.

Beim Ausflug in die Wüste

Safran passt überall rein

Bei uns ist Safran kein allzu übliches Gewürz. Ich kenne genau ein traditionelles deutsches Rezept, den oberpfälzischen Kirchweih-Kuchen, der mit Safran verfeinert wird. Ab und an gibt es ein wenig Safran im Reis – das wars. Aber in den Emiraten kommt Safran in alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Ich finde es gut, denn ich liebe das Gewürz und hab mir in einem Laden in Dubai richtig viel persischen Safran mit nach Hause mitgenommen. Es gibt Safran Kaffee, Safran Tee, Safran Reis, Safran Kuchen, Safran Sirup, Safran ist in jeder Marinade und Würzmischung. Und ich koche das gerade alles nach 🙂 vor allem den Safran-Kaffee liebe ich sehr.

Flirten ist schwierig in den Emiraten – aber nicht unmöglich

Wie flirtet man in Ländern, in denen das Treffen beider Geschlechter eigentlich völlig unmöglich ist? Es ist schwierig, aber es geht. Zum Beispiel am Abend in der YAS Mall in Abu Dhabi oder der Dubai Mall zum sehr verstohlenen Flirten, ab 18 Uhr kommen junge Männer und sehr gut geschminkte Frauen, setzen sich in die Cafes, werfen sich verstohlene Blicke zu und warten. Irgendwann legt ein Mann dezent seine Telefonnummer bei der Frau der Wahl ab – dann ist Chatten möglich. Der Name des Mannes ist natürlich als Frauenname im Telefonbuch abgespeichert, sicher ist sicher.

Manche Frauen haben zwei oder mehr Telefone, um bei den geheimen Chats nicht erwischt zu werden, wenn die Familie das Telefon kontrolliert. In der Dubai Mall wird offensiver geflirtet, vor allem mit westlichen InfluencerInnen, die im Emirat leben. Da wird schon mal die Telefonnummer quer durch die Mallgänge gerufen oder die Frauen eingeladen, am Männertisch Platz zu nehmen. Auch das Auto ist ein wichtiges Flirtinstrument. Wenn eine weibliche Autofahrerin ihre getönte Seitenscheibe hinunter lässt, ist das ein Zeichen für Flirtwilligkeit. Dann werden an Ampeln Komplimente und die Telefonnummer durchs Fenster gerufen oder es fliegt ein Visitenkärtchen. Manche Männer haben ihre Telefonnummer auch hinten aufs Auto geklebt. Und, bei besonders eifrigen Aufreißern, ist die Telefonnummer möglichst einfach, sowas wie 666 666 6, damit sich die Frauen sie auch garantiert merken können. Als Extratrick ist die Autonummer und die Telefonnummer identisch. (ja, das geht) Sehr beliebt sind auch Foodmärkte, die direkt mit dem Auto angefahren werden. Vor einem DriveIn Café, bei dem alle im Auto sitzen bleiben, sich aber Komplimente und Telefonnummern durch die offenen Scheiben zurufen. Geheiratet wird aber meist nicht aus Liebe, sondern der und die, die die Familie aussucht. Nicht selten ein entfernter Cousin oder Cousine.

Pool vor der Yas Mall in Abu Dhabi
Die Yas Mall in Abu Dhabi – sehr futuristisch
Aus dem Auto aus kann man einkaufen und Essen holen, Kaffeebestellen und Flirten oder eine Party feiern

Das Auto ist mehr als nur ein Fortbewegungsmittel

Das Auto ist nicht nur Fortbewegungsmittel, es ist auch ein Ort der Freiheit für Frauen. Vielleicht hat sich Saudi Arabien deswegen so lange gesträubt, Frauen ans Steuer zu lassen. Das Auto ist Safespace und Abenteuer in einem. In dem kleinen Raum mit den abgedunkelten Fenstern kann kurz nach Männern geguckt werden, ungestört mit Freundinnen geratscht werden oder es wird das Radio voll aufgedreht und mitgesungen. Eine Party auf vier Rädern.

Aus der Sicherheit des Autos heraus wird vor Foodtrucks gehalten, Essen und Kaffee bestellt, es gibt auch Geschäfte, da gibt man dem Verkäufer, der ans Autofenster kommt, seine Liste und kurz danach ist alles verpackt in Tüten im Kofferraum – ohne einmal das Auto verlassen zu haben. Im Auto cruist man durch die breiten Straßen der Emirate. Wie wichtig das Auto ist, sieht man am Festival in Liwa, auf dem ich meine Silvesternacht verbracht habe. Das Herzstück des mehrtägigen Festivals ist es, aus Spaß mit allen möglichen Gefährten die Dünen rauf und runter zu fahren. Für männliche Emiratis gibt es nix Schöneres. Und die verschleierten Damen schauen bewundernd zu.

Alles muss ein Superlativ sein

Abu Dhabi und Dubai sind Emirate der Superlative. Das höchste Gebäude der Welt, das größte Aquarium, die größten Malls, die luxuriösesten Hotels, die besten Köche, die tollsten Hotels, die luxuriösesten Restaurants – und immer, wenn ein Emirat was hat, braucht das andere das auch, nur größer. Es gibt das „Village of the World“ in Dubai, jetzt hat auch Abu Dhabi sowas, als „Sheik Zayed Festival“ – viele Länder haben Pavillons, in denen die Warenwelt des Landes verkauft wird. Das macht viel Spaß zum Gucken. Auch bei den Aquarien wetteifern die Nachbarn. Dubai hat das irre Aquarium in der Dubai Mall, Abu Dhabi die wunderschöne Seaworld, bei der Haie und Mantas über den Köpfen der Besucher schweben. Überwältigend. Ich weiß nicht, ob diese Konkurrenz den Emiraten gut tut. Ich fände es schöner, wenn jedes Land seinen Eigenheiten treu bliebe. Abu Dhabi ist ein großartiges Urlaubsland für etwas konservativere, ältere und gediegene Gäste.

Die Emirate sind ein echtes Vielvölkergemisch

Wer vor allem Dubai besucht, staunt über die Menge an unterschiedlichsten Ethnien, die hier friedlich zusammenleben. In den Malls und an der Strandpromenade drängt sich gefühlt die gesamte Welt. Ich hatte selten irgendwo auf der Welt das Gefühl, so sehr im Zentrum des Geschehens zu sein. So global, so modern, so weit vorne. Ich habe Europa als fürchterlich klein, altmodisch, rückwärtsgewandt und irrelevant empfunden, im Vergleich zu dieser modernen, der Zukunft zugewandten Welt. Es erscheint dort wirklich klar – wir sind die „alte Welt“. Über kurz oder lang spielen wir politisch und wirtschaftlich kaum noch eine Rolle. Leider. Es ist halt einfach so, die Welt hat ihre Zyklen. Früher haben die Regionen miteinander Handel getrieben, aber hatten nicht allzu viel miteinander zu tun. In einer derartig globalisierten Welt wie heute steht halt kein Staat nur noch für sich, sondern ist beeinflusst von allen anderen Staaten, profitiert oder stinkt ab. Wir haben viel zu lange nicht nur die heimische Digitalisierung verschlafen, sondern auch die Notwendigkeit, uns weltweit zu orientieren. Und nicht nur das: „Ohne die strengen Regeln und das ebenso strenge Durchsetzen der Gesetze wäre dieses friedliche Zusammenleben nicht möglich“ erklären mir meine Freundinnen. Es ist mehr als nur ein Seitenhieb auf die Politik in Deutschland, die sie überhaupt nicht verstehen können „Warum lasst ihr Verbrecher und Diebe frei rumlaufen?“ fragen sie mich. Eine Antwort habe ich nicht.

Arabische Frau im Zelt mit Kandora
Meine Freundin Afrah mit einer Kandora

Was tragen die einheimischen Damen unter ihren schwarzen Mänteln?

Viele Leute glauben, unter den schwarzen, Abaya genannten Mänteln der Araberinnen wären Haute Couture Kleider aus dem Westen. Das mag ab und an stimmen, die Regel ist es nicht. Aber unter dem Schwarz ist es bunt, sehr bunt. In Abu Dhabi gibt es lange, Kleider mit sehr bunten Mustern, Kandoras genannt. Am Ausschnitt und an den Armabschlüssen werden – passend zum jeweiligen Muster – von indischen Künstlern wunderbare Strassborten gefertigt. Stoff und passende Borte können fertig gekauft werden. Die Kleider schneidert dann, je nach Budget der Familie, der von der Familie exklusiv angestellte Schneider oder ein indischer Schneiderladen. Die Kandoras gibt es natürlich auch schon als Pret-a-porter :). Mir haben sie sehr gut gefallen, die Frauen sehen darin feminin und wunderschön aus. Allerdings habe ich mir keine gekauft, wo soll ich das Kleid denn tragen? Die Damen aus Kuwait haben derzeit die coolste Mode an. Überweite, sehr maskuline Hosen und lederne Bomberjacken, kurze Haare zu ihrem extrem femininen Makeup. Unglaublich stylish.

Das Essen ist fantastisch – jedes Lokal eine Offenbarung

Ich habe selten so gut gegessen wie in den Emiraten. Essen ist eine Lieblingsbeschäftigung der Araber, es wird immer und überall gegessen, auf dem Tisch steht in jedem Haushalt zumindest eine Schale mit Keksen und Datteln. Meist biegt sich der Tisch unter lauter Snacks. Essen ist wichtig, zu sozialen Anlässen, aber eben auch im Alltag. Gästen nichts anzubieten, ist vollkommen undenkbar. Auch im Lokal wird immer weit mehr bestellt, als irgendwer am Tisch essen kann. Aber anders geht das gar nicht. In den Malls, Hotels und auf den Straßen reiht sich Lokal an Lokal, die feinsten Spezialitäten aus aller Welt. Indische Curries, chinesische Hot Pots, türkische Süßigkeiten, amerikanischer Cheesecake und Sweets, japanische Pfannkuchen, französische Croissants, arabischer Tee, italienische Pizza und Pasta, persische Grillspieße, libanesische Mezze, spanische Tapas… Das Thema Gewicht ist durchaus relevant, viele Damen greifen auf Magenverkleinerungen zurück, um schnell wieder in Form zu kommen. Das hat mich überrascht. Ich habe ziemlich viel gegessen und auch einiges zugenommen in den zwei Wochen – ich glaube, nach ein paar Wochen würde ich mich auch zur Magenverkleinerung anmelden müssen.

Das arabische Klo ist viel hygienischer

Es gibt ja viele, die sich über die Hygiene in anderen Ländern aufregen und glauben, bei uns in Deutschland wäre der Standard am besten. Ich muss heftig widersprechen. Die Po-Duschen, die es in den Emiraten gibt, sind unendlich viel besser. Nach dem Geschäft wird der Po abgesprüht, mit dem Toilettenpapier nur noch getrocknet. Es ist so viel sauberer und hygienischer als das deutsche Geputze mit viel Papier. Ich hab mir dann in einem Laden für Campingbedarf eine Art Campingdusche gekauft, die auf eine Wasserflasche geschraubt wird und so unterwegs den heimischen Komfort ersetzt. Die nutze ich jetzt hier.

Camping in den Emiraten

Camping in den Emiraten

Überhaupt – Campen. Dass Campen so beliebt ist, mag überraschen. Aber im Herzen sind die Emiratis immer noch Nomaden. Im „Winter“ stellen sie draußen vor den Häusern Zelte im Freien auf, in denen dann gesellschaftliche Leben stattfindet. Bis es zu heiß wird, dann geht es wieder ins Haus zurück. In vielen Geschäften gibt es arabischen Campingbedarf, der ein wenig anders aussieht als bei uns. Ein kleiner Kocher für Tee und Kaffee ist Pflicht (den haben die Araber aber immer und überall dabei) , Teeservice, Kühlboxen, kleine Sofas und Hocker, Klapptischen und Teppiche. Und ein gesondertes Klozelt.

Betuchte Emirati- Familien haben „Farmen“ in der Wüste, früher haben sie dort Zelte aufgebaut, mittlerweile gibt es hausähnliche Strukturen, natürlich streng nach Männern und Frauen getrennt. Dort kommt im Winter die gesamte Familie aus dem ganzen Land zusammen. dort werden  Kamele gezüchtet, Datteln oder Obst und Gemüse angebaut, die Falken trainiert. Und es wird gefeiert, getanzt, gegessen – ja, auch das nach Geschlechtern getrennt. Aber irgendwie scheinen alle damit recht okay zu sein.

Für mich war es ein Besuch, der mich mit vielen Fragen zurückgelassen und mit viel Stoff zum Nachdenken. Mir ist vor allem wieder klar geworden, dass es ein einziges Richtig nicht gibt, sondern dass viele Formen des Zusammenlebens okay sind. Wir müssen aufhören, unsere Lebensweise als die einzig Seligmachende zu verstehen. Ich weiß, dass es in den Emiraten viele Missstände gibt, dass Arbeiter nicht gut behandelt werden. Aber ich habe den Eindruck, es ändert sich viel. Und ich würde mir wünschen, dass wir auf die Dinge schauen, die anderswo funktionieren. Vor allem würde ich mir wünschen, dass sich die Völker besser kennenlernen, sich verstehen wollen und die anderen in ihrer Andersartigkeit akzeptieren. Dann hätten nämlich Rassismus und Vorurteile niemals eine Chance. 

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