Samos – eine Blaupause für zukünftigen, nachhaltigen Tourismus?

Es wird derzeit viel darüber gesprochen, ob – und wenn ja, wie – wir in Zukunft reisen werden im Angesicht des Klimawandels. Ich bin gerade im Urlaub und habe mir dazu ein paar Gedanken gemacht… Momentan befinde ich mich in Samos. Mal wieder. Es ist mein dritter Besuch auf dieser zauberhaften Insel – derzeit ist diese Insel erste Wahl, aber nicht nur, weil es hier schön ist, voller verwunschener Wanderwege und geheimer Buchten, weil das Essen köstlich ist, das Meer klar und kühl, sondern auch, weil wir uns auskennen und die Risiken der Pandemie abschätzen können. Samos ist einfach ideal, wenn man in der Corona Zeit Urlaub machen will, nur kleine Hotels, keine besonderen Touristenzentren, es gibt noch Strände, an denen man fast alleine ist. Die sind allerdings mit ein wenig Fußweg verbunden, so wie in der guten alten Anfangszeit des Hippie-Reisens, in den siebziger Jahren. Damals wurden Inseln wie Ibiza, Mallorca oder Mykonos entdeckt. Die sind jetzt Hotspots des Tourismus. Ganz anders hier auf Samos: Bettenburgen sucht man vergeblich. Unser Hotel, in einem Dörfchen mit 10 Häusern hat zum Beispiel gerade mal 15 Zimmer. Reicht auch. Abstand? Kein Problem. Auf den Fähren nach Patmos oder Kos wird streng kontrolliert, wer geimpft oder genesen ist, in Geschäften trägt man drinnen Maske, ansonsten sind wir sowieso draußen und vom Virusgeschehen in Deutschland angenehm weit weg.

Urlaub in Samos könnte eine Blaupause für nachhaltigen Urlaub sein

Ich bin überzeugt, das brauchen wir auch, ab und an ein bisschen Abstand und Erholung. Jetzt in Deutschland mit Maskenstreit, neuen Regelungen in trübem Wetter hocken würde meiner Psyche den Rest geben. Und das geht vielen so. Ich bin vollkommen realistisch, nach Corona und trotz Klimakrise werden die Menschen weiter reisen wollen, das gehört mittlerweile einfach zu unserem Lebensstil dazu. Das wird auch der wildeste Klimajakobiner nicht mehr wegbekommen. Und ich denke auch, dass Reisen, wenn man es richtig macht, eine gewisse Weltoffenheit fördert, die uns zu Hause in Deutschland nur gut tun kann. Aber ich bin überzeugt, dass Reisen sich ändern wird, ja ändern muss. Inseln wie Samos bieten hier eine perfekte Vorlage, wie er sein könnte – der Urlaub der Zukunft. Diese Inseln Patmos, Lipsi, Ikaria etc sind erst relativ spät vom Tourismus erschlossen worden und wurden so von den schlimmsten Auswüchsen des Massentourismus verschont. Es gibt hier keine bzw wenig Pubs und Kneipen, keinen Ballermann, keine Diskotheken, überhaupt kein nennenswertes Nachtleben, das über einen Cocktail an der Strandpromenade hinausgeht, keine riesigen Hotels. Stattdessen zockeln französische und deutsche Rentner und Familien durch die Landschaft und erwandern die Inseln oder schwimmen an kleinen, sauberen Kiesstränden im Meer. Es gibt touristische „Ballungszentren“ wie das Fischerdorf Kokkari, das trotz der Lokale an der Strandpromenade ein kleines Dorf geblieben ist. Trotzdem ist Kokkari vergleichsweise touristisch. In den meisten Restaurants auf den Inseln überwiegen Einheimische. Die Angebote auf der Karte sind noch nicht für die Touristen verfälscht worden, regionale, saisonale Zutaten überwiegen. Das Straßennetz ist nicht für den Tourismus ausgebaut, sondern für den normalen Bedarf. Da die meisten Hotels und Gastronomie ihn von einheimischen geführt werden, profitieren die Inseln auch selbst hervorragend von den Touristen, anders als zB die Dominikanische Republik oder Ägypten, wo die Urlauber ihre abgeschirmten Ressorts kaum verlassen. Die Strände beherbergen keine Beach Clubs, sondern allenfalls ein paar Schirmchen und Sonnenliegen. Müll wird überall gesammelt und getrennt. Bis auf das große Problem des Flugs also eine extrem umweltfreundliche Art, ein anderes Land zu besuchen.

Der Nachteil: die Kapazitäten sind begrenzt

So weit, so gut. Nur kommt mit dieser Lösung ein anderes Problem: die Kapazitäten, so Urlaub zu machen, sind extrem begrenzt. Wenn alle deutschen (und europäischen) Urlauber in Zukunft im Sommer auf kleine griechische Inseln wollen, wird das Angebot trotz sehr einfacher Hotels entweder extrem teuer oder es würde alles ruiniert werden, wenn aufgrund des Ansturms dann doch Bettenburgen gebaut würden. Das wird nicht passieren.

Was aber dann? Ich halte es für niederträchtig, über einen Urlaub nachzudenken, der nur noch vermögenden Menschen offensteht. Gerade die brauchen den nicht so dringend wie Familien oder hart arbeitende Menschen. Vielleicht wäre das simple Geheimnis, nicht jedes Jahr in den Urlaub in die Ferne zu fahren, sondern die Ferien in einem Wechsel aus Balkonien, bayrischem Wald und ab und an Griechenland oder Italien zu gestalten. Und alle paar Jahre oder Jahrzehnte mal ganz weit weg, nach Thailand oder in die Karibik. Und dort bitte auch nicht in die Hotels der großen Ketten, in umzäunte Megaressorts, sondern in kleine inhabergeführte Hotels und Lokale der einheimischen Gastronomen. Nur so profitieren die Einheimischen davon, nur so lernt man wirklich Land und Leute kennen und nicht nur Hans und Inge aus Wuppertal. Ich finde, man kann von Leuten erwarten, dass sie, wenn sie ein fremdes Land besuchen, nicht alles so vorfinden wollen wie in Deutschland, sondern sich einlassen auf das Besondere, das Spezielle des Urlaubslands. In Thailand Schnitzel essen zu wollen, und in Griechenland an jeder Ecke Pizza zu erwarten, deutsches Bier und eine auf Touristen zugeschnittene Party Kultur, ist einer der Kardinal-Fehler. Warum reisen, wenn man sich nirgends auf etwas Neues einlassen will, nichts kennen lernen möchte? Am Samstag in die Bar, die Deutschen Fußball überträgt? Muss das sein? Da sollten auch die Reiseanbieter nicht mehr mitspielen! Deutschland – aber mit besserem Wetter und Meer – ist ein bescheuertes Urlaubskonzept. Das muss der Vergangenheit angehören. Es sollten nirgendwo auf der Welt gigantische Bettenburgen mehr zugelassen werden. Schon gar nicht von ausländischen Investoren. Wir Touristen sind Gäste, keine Kolonialherren. Und so müssen wir uns benehmen. Einheimisches Essen, einheimische Gepflogenheiten können eine große Bereicherung sein, genau so wie das Kauf cooler einheimischer Designer.

Fazit: Eine gewisse Mäßigung – kein totaler Verzicht – und ein Urlaub, der sich auf das Gastland einlässt und dessen Ressourcen umsichtig schützt, könnte der Schlüssel sein, noch lange die Schönheiten unseres Planeten genießen zu können.

Hier hätte man auch den Hobbit drehen können – verwunschene Wäder in Samos