Die Mode-Indie-Queen „Die Leute suchen wieder nach Lieblingsstücken“

Neulich habe ich mich mit Freundinnen unterhalten, die auch im letzten Jahrtausend bereits erwachsen gewesen sind. Es ging um Mode, wie wir in Zeiten vor Zara und Co eingekauft haben, als es noch keine Fast Fashion in diesem Sinne gab. „Wir hatten weniger, aber es war individueller und cooler“, meine Helma. In meiner Retrospektive weiß ich das gar nicht so genau. Bei mir kam die Individualität erst spät, während des Studiums. Dann habe ich allerdings sehr, sehr schräge Sachen getragen – sagen wir mal so, ich liebte Tank-Girl und war ziemlich gut in der Rave-Szene unterwegs, insofern waren es Funkbrillen, überweite Armeehosen und Plateauturnschuhe für mich, ich erspare euch den Anblick.

Das Flip Logo

Ab und an war auch was Edleres dabei, das stammte meist von FLIP, einer Boutique, um die niemand herumkam, der cool sein wollte im München der 90er. DJs legten in der Boutique auf, die Umkleidekabinen waren einmalig, mit Plüsch bezogen und überhaupt war alles irgendwie einen Hauch weltstädtischer als München es sonst war.

Gabriele Bohlen

FLIP, das war wie ein Trip nach New York oder Los Angeles, die meisten Marken, die irgendwann mal Hype wurden, seien es ACNE Jeans oder auch Ed Hardy, das gab es im FLIP zuerst.  Zu verdanken war das dem modischen Gespür von Gabriele Bohlen, der Inhaberin des Stores, die dank guter Connections und eines noch besseren Riechers immer wieder Highlights nach München brachte. „Angefangen hat alles bei einer Amerikareise mit einem Freund. Dort war eine Tante von ihm verstorben und hatte Unmengen Kleidung hinterlassen. Tolle Couture, fantastische Taschen von Hermes oder Chanel, ich habe alles nach Deutschland verschifft und hier in einer kleinen Second-Hand-Boutique verkauft. Es wurde mir aus den Händen gerissen“, erzählt Gaby Bohlen. Sie kaufte bei regelmäßigen Trips in die USA weitere Traumstücke, das Second Hand Business war stark in den 80ern und frühen 90ern „Doch dann wurde es schwieriger. München ist keine gute Second Hand Stadt, alles muss eigentlich ungetragen sein, völlig makellos“. So verlegte sie sich auch auf Neuware. Und sie hatte eine wirklich gute Freundin in New York, die mit ihr auf Modetrüffeljagd ging: Patricia Field. Ja, die Stylistin von Sex and the City, die vermutlich einflussreichste Stylistin der Modewelt. So wurde das FLIP schrill, bunt, glamourös. Marken wie Alexander Wang, Current Elliot, Elisabeth & Jones oder den berüchtigten Ed Hardy gab es hier zuerst. „Ed Hardy wollte ich eigentlich nur ins Outlet geben, aber dann kam ein derartiger Rush drauf, ich habs wieder ins Hauptgeschäft gelegt“, lacht Gaby Bohlen.

Mittlerweile hat sie ihren Laden aufgegeben, aber nicht das Modebusiness, sie führt erfolgreich einen Vertrieb, immer noch mit besonders ausgefallenen Marken. Es gibt schöne Stücke, die – bemerkenswert – auch in großen Größen zu haben sind. Da gibt es jetzt im Sommer Lula Soul und Rubyyaya aus Australien, relaxte Hippiemode, bunt, fröhlich, sorglos – und zeitlos. Das trägt man jeden Sommer wieder gern. „Mädchen von 13-16 wollen alle gleich aussehen. Das ist so eine komische Erscheinung unserer Zeit, aber die Leute über 20 suchen wieder mehr nach Lieblingsstücken, deswegen prophezeie ich auch ein Revival von Second Hand. Alles suchen wieder Einmaliges, was andere nicht haben“ meint Gaby Bohlen.“Klar, der Modemarkt ist völlig übersättigt, es gibt von allem viel zu viel. Trotzdem freuen sich Frauen über ein schönes, neues Teil – auch daran ändert sich nie was.“

Ich frage sie auch nach Mode für Curvys. „Im Prinzip ist die Nachfrage riesig, aber dennoch will eigentlich jede Frau schlank sein. Niemand will wirklich 4XL tragen. Das ist so ein Widerspruch, aber schlank steht immer noch für schön, sexy, erfolgreich – ich finde das bescheuert. Aber ich glaube, da ist ein Umschwung im Gange. Victoria Secret will eine Plussize Collection auf den Markt bringen, sowas ändert viel in der Wahrnehmung.“

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