Tanzen über den See Genezareth

Halleluja! Ein Hauptgrund, warum viele Leute nach Israel reisen, ist die Religion. Pilgern ins heilige Land ist für Christen seit den Kreuzzügen eine beliebte Tätigkeit, mittlerweile geht das auch nicht mehr mit Tätlichkeiten einher. Das Herz des modernen Pilgertums liegt – neben Jerusalem – am See Genezareth, wo sich gerade die Tourismusindustrie auf diese Art Reisende besonders gut eingestellt hat. In den örtlichen Souveniershops bekommt man gleich neben Badekappen und Sonnenhüten Dornenkronen oder Kreuzigungsnägel, man kann Myrre, Weihrauch und andere Spezereien kaufen oder Sand aus dem heiligen Land (den es vor dem Laden allerdings kostenlos gibt, aber halt nicht in so hübschen Fläschchen). Die Taufstelle Jesu liegt nahe Tiberias am Jordan, der Weg, den Jesus ging, um von Galiläa nach Jerusalem ging, ist immer noch nachwanderbar. Ein paar echte Glücksfälle haben den Fremdenverkehr hier wirklich bereichert. Zum einen hat man in der Uferregion des Sees ein uraltes Boot gefunden, ein Fischerboot aus der Zeit Jesu. Und zum anderen entpuppt sich die Ausgrabung des antiken Maggdala, des Ortes, wo die geheimnisumwitterte Freundin von Jesus herkam, zu einer archäologischen Sensation, nicht nur für Gläubige, sondern auch für Geschichtswissenschaftler. Aber dazu später mehr.

Eines der nettesten Hotels der Umgebung ist der sehr familienfreundliche Kibbuz Nof Ginosar, zu dem auch das Bootsmuseum mit dem antiken Schiff gehört. Wunderbar am Seeufer gelegen, im hübschen, skandinavischen Stil eingerichtet, mit weitläufigen Parkanlagen, Pool und Badestrand am See gefällt es mir dort extrem gut. Als ich um sechs Uhr morgens aufstehe (ich war einfach schon wach) geht gerade die Sonne über dem See auf. Es ist noch kühl, Reiher fliegen in Formation über das Ufer. Das ist wunderbar und trotz kalten Wasser macht es Spaß , im klaren See Genezareth zu schwimmen. Um diese Uhrzeit, wenn alles, was man hört, die Vögel sind, ist man sehr nahe bei Gott an diesem See – gläubig oder nicht.
Das mit der Stille ändert sich schnell. Viele Pilgergruppen aus den USA oder gar Indien sind da, um den See zu besuchen, über den Jesus angeblich ging und wo er mit seinen Aposteln gemeinsam predigte und fischte (und diverse Wunder wirkte, whatever). Ich bin großer Jesus-Fan. Ich glaube, dass dessen Lehre „seid nett zueinander“ die ist, an die ich mich halten möchte. Und wenn wir uns alle dran halten würden, vor allem die Parteien mit dem C, wäre die Welt ein besserer Platz. Insofern bedeutet mir der See Genezareth durchaus etwas. Aber das finde ich eben nur um 6 Uhr früh.

Das antike Boot ist nicht nur rekonstruiert zu bewundern, es wurde auch nachgebaut. Richtig oft – zu einer kleinen Flotte, mit der Pilgergruppen über den See Genezareth fahren können und so das Tagwerk von Jesus und dessen Fischerkumpels wieder aufleben lassen. Die amerikanischen und indischen Reisegruppen hissen erstmal ihre Fahnen auf den Booten, schmeißen die richtigen CDs in die bereitstehende Musikanlage und ab geht’s mit passender Musik über den See. Da wird dann getanzt und gebetet auf den Booten. Wie das dann klingt, hab ich für euch auf Video aufgenommen

Deutsche Fahnen und deutsche Musik gab es glücklicherweise nicht, wir bekamen ein Potpourri aus „Hava Nagila“ und „Shalom Alechem“ und anderen jüdischen Klassikern. Nach der kleinen Bootstour ging es dann ins Vogelreservat und nach Maggdala…

Maggdala und Maria von sind vor allem seit den Dan Brown Romanen eine feste Größe in der Vorstellung der Welt. Die angeblich rothaarige Schönheit war vielleicht die Frau von Jesus, zumindest aber eine sehr, sehr enge Freundin, wie eng, das entscheidet der einzelne Glaube. Ich hoffe für Jesus, sehr eng, ich bin kein Fan des Zölibats. Auf alle Fälle wird neben dem Kibbuz das antike Maggdala ausgegraben und es entpuppt sich als wahre Wundertüte für die Archäologen. Es wurde eine antike Synagoge gefunden, teilweise noch reich bemalt und mit einem besonderen Altarstein.  Es wurden antike jüdische Mikwen gefunden,  rituelle Reinigungsbecken, es wurde die antike Fischverarbeitung gefunden, wo Fische gereinigt, getrocknet und verkauft wurden. Und es wurde der antike Marktplatz  gefunden. Alle Fischer der damaligen Zeit kamen sicher zu diesem Marktplatz, um ihren Fang abzugeben. Und die Fischer hießen nun mal Petrus, Simon, Judas….also dass Jesus über diese Steine gewandert ist, dort in die Kneipe ging und sich mit seinen Freunden getroffen hat, darf als gesichert gelten. Wenn er wo war, dann hier. Deswegen hat man den Marktplatz jetzt mit einer (ziemlich kitschigen) Kirche überbaut, die Maria aus Maggdala gewidmet ist. Und mit ihr allen Frauen der Bibel, deren Bedeutung immer heruntergespielt wurde. Das wiederum finde ich sehr schön. Ich sitze noch eine Weile allein unten auf den Steinen des Marktplatzes, lasse die Magie des Ortes auf mich wirken.

 

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