Das Brandnertal ist very instagramable

Wir schauen neidvoll auf Länder wie Neuseeland, Island, Norwegen oder Kanada und bestaunen die fantastische Natur dort. Und natürlich ist das berechtigt, denn diese Länder sind alle eine Reise wert. Nur ist unser Urlaub und auch das Budget leider meist begrenzt. Da ist es gut zu wissen, dass nicht weit von uns, manchmal nur mit ein paar Stunden Entfernung, ebensolche Naturwunder auf uns warten. Wasserfälle, die über ganze Bergrücken rauschen, wunderschöne türkise Bergseen volle Forellen. Blau-weiße Gletscher, Wildwasser-Schluchten, gigantische Gipfel und Wiesenvoller Alpenrosen und so vieles mehr. In den Alpen, sei es in Bayern, in Österreich, Italien oder der Schweiz ist die Natur einfach zauberhaft.

So schön sind die Alpen

Verrückterweise konzentrieren sich viele Urlauber auf einige wenige Sehenswürdigkeiten, die sie durch Instagram-Posts kennengelernt haben und deswegen auf der privaten Bucketlist landen. Andere, mindestens genauso schöne Orte bleiben Geheimtipps. Einer dieser Orte ist das Brandnertal, ein Seitental der Alpenstadt in Vorarlberg. Im Herz des Tals liegt das Hotel Walliserhof, in dem wir zu Gast waren. Das Hotel eignet sich perfekt aus Ausgangsplatz, um die nähere Umgebung zu erkunden – wir informierten uns beim lokalen Tourismusbüro. Manche Attraktionen, wie den Klettergarten oder den Natursee Alvier hat uns ein bisschen das Wetter ruiniert – für beide Ziele war es einfach zu nass.

Im Brandnertal kann man viel entdecken

Ich war schon im Winter beeindruckt von der fantastischen Berglandschaft des Montafons, als ich mit meinen Kollegen beim jährlichen Skivergnügen unterwegs war. Und ich habe jetzt festgestellt, dass es im Sommer dort mindestens genauso atemberaubend ist. Und das Verrückte: die wundervollen Attraktionen sind kein bisschen überlaufen. Anders als am Praxer Wildsee in Südtirol, bei dem schon am Morgen die Influencer Schlange stehen, um das perfekte, aber immer gleiche Foto mit Wallekleid und Hut zu produzieren, ist es hier noch ruhig. Ich fürchte, dass ich mit meinem Beitrag dazu beitragen könnte, das zu ändern. Den Tourismus im Tal würde es freuen.

12 Kilometer lang ist das Tal und gleich zu Anfang kommt eine echte Attraktion: die Bürser Schlucht – malerisch hat sich hier der Fluss Alvier tief ins Gestein gefräst, sich seinen Weg durch die Steine gesucht. Fast wie durch einen Urwald voller alter Bäume rauscht der Wildbach sehr malerisch ins Tal. Neben dem Gemeindehaus in Bürs ist ein Parkplatz, von dort lässt sich die Schlucht bequem erwandern, der Weg ist gut ausgebaut. Aber nicht verwechseln: Es gibt auch einen Weg von oben nach unten, vom Bürserberg aus, aber dieser Weg wird schnell sehr steil und unwegsam, nichts für Gelegenheitswanderer. Von unten gehen auch Senioren, Familien und Menschen in Turnschuhen ohne Probleme durch die Schlucht und bewundern das Naturschauspiel, dass die Wasserkraft geschaffen hat. Mich beeindruckt das sehr, wie steter Druck wortwörtlich jeden Stein höhlt.

Von Bürs geht die Strasse hoch, bis sie die Ortschaft Brand erreicht, die Mitte des Tals. Dort finden sich schöne Hotels, Restaurants, ein kleiner Wildsee, der zum Baden einlädt, Golfkurs, Kletterpark, Biketrails, Streichelzoo, Panoramalifte und Wanderwege – viele, viele Möglichkeiten, seinen Urlaub aktiv zu gestalten. Je weiter wir Brand hinter uns lassen, umso wilder und zerklüfteter wird die Landschaft. Wasserfälle rauschen die Bergwände hinunter, schroffe Felswände wechseln sich ab mit Bergwald.

Ein Highlight: der Lünersee gehört zu den schönsten Seen der Alpen

Der Lünersee, ein Bergsee in 2000 Meter höhe am Fuß der Schesaplana, beendet das Tal. Es gibt einen steilen Weg den Berg hinauf – oder eine Bergbahn. Die haben wir genommen. Mein Knie ist momentan nicht ganz okay und da muss sowas nicht sein.  Der See hat es spannend gemacht für uns – als wir uns entschlossen, hochzufahren, war der Gipfel noch dick in Nebel gehüllt. Das sieht man gut auf der Webcam, die wir im Netz gefunden hatten und die aktuelle Bilder schickt. Aber ich wollte optimistisch bleiben „das reißt bestimmt auf“. Tat es erstmal nicht. Wir waren schon dabei, uns die Suppe schön zu reden „besondere Stimmung“ „Sonne kann jeder“ als es doch noch aufriss und der See wie eine gekonnte Striptease Tänzerin nach und nach das Nebelkleid lüftete. Und dann blieb uns der Mund offen stehen. Die Landschaft war geradezu kitschig schön.

Der See lüftet das Nebelkleid

Ja, so sieht das tatsächlich aus, no filter needed.  Hier auf dem Bild löst sich der Nebel gerade auf. Wir sind dann zwei Stunden um den See gewandert, unterbrochen von permanenten Fotografierereien, es gibt nur eine etwas steilere Stelle, ansonsten sehr gemütlich. Wir haben dabei immer wieder  Murmeltiere gehört und eins sogar gesehen. Solche Begegnungen freuen mich jedes Mal. Und eine Hütte gibt es auch: das Douglasshaus, das gutes Essen anbietet und in dem Bergsteiger auch übernachten können, wenn sie weitere Berg- oder gar Klettertouren planen. Ich stelle mir die Ruhe und den Sternenhimmel in der Nacht dort oben gigantisch vor. Wir haben dort nach der Wanderung eine Frittatensuppe verspeist, dazu eine Rivella Limo, die es Deutschland leider nicht gibt. War schön.

Kräuterwanderungen und mystische Steinkreise auf der Tschengla

An einem anderen Tag ließen wir uns ebenfalls nicht vom Wetter abschrecken und besuchten eine Kräuterwanderung auf der Tschengla. Die Tschengla ist ein Hochplateau, mit der Rona Alpe, einer Schaukäserei, in der es die frischesten Milchprodukte gibt, die nur möglich sind. Viele Wanderwege führen durch die Landschaft und auch bei Bikern ist der Berg beliebt. An dem Besuchstag herrscht Nieselregen und es ist ruhig oben. So haben wir viel Zeit und Muße, die Kräuter auf dem Berg kennenzulernen. Die liebe Nadine von Gesund am Berg weiß alles über die Kräuter. Wenn ich mal im Tal seid, müsst ihr unbedingt eine Führung mit ihr buchen! Es ist immer wieder beeindruckend, wie viel unterschiedliche Kräuter so eine Bergwiese bietet und für welche Leiden und Probleme ein Kraut gewachsen ist.

Rotklee und Frauenmantel für Frauenleiden, Mädesüß als Aspirinersatz bei Erkältungen und Brennnessel hilft bei Magen-und Darmproblemen und wirkt blutreinigend. Pfefferminze hilft bei Erkältungen, Lavendel beruhigt und Salbei ist gut, wenn der Hals kratzt. Ich muss mich damit wirklich mal eingehend beschäftigen. Nach dem Kräutersammeln verarbeiten wir sie auch: wir stellen zum Beispiel Rosensalz her. Dazu werden frische Rosenblätter mit Salz zermörsert und die Mischung dann in einer Untertasse getrocknet. Ein Highlight ist auch ein spezieller Kräuterzucker mit Mädesüß: Das Kraut duftet und schmeckt intensiv nach Mandel und Vanille. Auch hier wird das frische Kraut im Mörser mit Zucker gemischt. Auf Joghurt oder im Kuchen.

Rosensalz – mit frischen Rosenblüten und Salz stellen wir eine Würze her

Nach der Kräutertour bleiben wir noch etwas auf der Tschengla, denn wir wollen die Steinkreise besuchen. Von der Alpe Rona sind es 20 gemütliche Minuten zu Fuß. Die neblige Stimmung macht das Mini-Stonehenge ganz besonders mystisch. Der Platz strahlt eine besondere Kraft aus,  vor Jahrtausenden haben die alten Räthier hier ihre Muttergöttin verehrt. Wir sind völlig allein hier oben und die magische Ruhe des  Ortes berührt mich sehr. Manchmal ist eine Bergtour doch ein bisschen mehr als eine Bergtour. Ich spüre mich selbst und nehme meine Bedürfnisse stärker wahr.

Ich setze mich ins nasse Gras neben die Steine und meditiere ein wenig. Die Tschengla tut mir gut. Aber irgendwann heißt es Abschied nehmen und wir gehen zum Auto zurück. Zurück ins Brandnertal, aber noch nicht zurück zur modernen Hektik, ein bisschen Ruhe nehmen wir uns mit.

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