Die älteren Menschen kennen die Werbung noch – mit einem verblüfften Boris Becker und seinem erstaunten Ausruf „Bin ich jetzt schon drin?“ – das war damals eine Art Meme, als das Wort Meme noch nicht erfunden war. Damals war das ein Luxus- drin sein. Mittlerweile ist es echter Luxus, draußen zu sein aus dem Netz. Weg vom Handy, weg von einer Kamera.
Ich genieße es jetzt in Thailand, nicht immer und überall das Handy und vor allem den Fotoapparat dabei zu haben. Nicht überall posen, Fotos inszenieren, bearbeiten, Leute ungefragt abfotografieren, weil sie so pittoresk sind und anschließend online stellen. Beim Schnorcheln will ich Fische und Schildkröten und das Meer unmittelbar erleben, alles direkt beobachten, nicht nur durch eine Kamera „Schatz, kannst du mal dahin schwimmen, dann bist du mit der Schildkröte auf dem Bild“ äh – nein. Das muss doch nicht sein. Das nervt so unendlich…auch wenn die Begegnung mit der Schildkröte eben „nur“ im eigenen Gedächtnis verankert bleibt…
Fotografieren und sich ankeifen
Letztes Jahr waren wir in Samos, dort gibt es einen kleinen Fluss im Wald, der über Steine hüpft, kleine Teiche bildet oder kleine Wasserfälle. Wunderschön. Dort kann man entlang laufen, in den Teichen herumschwimmen, über die Wasserfälle springen…oder man kann: sich in jedem Teich fotografieren, unter den Wasserfällen mit dem Bikini posen, sich umziehen und das nächste Foto schießen. Das tat ein sehr schönes Pärchen um uns herum, keifte entweder sich an „I look stupid, take another picture, you moron“ oder andere Gäste (wie uns) – „you a spoiling our motive“ … diverse Urlauber haben denen dann rüde klar gemacht, was noch gespoilt werden würde, wenn sie allen den Spass verderben…das war damals für mich ein Augenöffner. Auch wenn andere damit ihr Geld verdienen – ich will das nicht für mich. Ich will ohne Kameras Dinge erleben können. Nicht missverstehen: natürlich gehören Fotos zum Urlaub dazu. Natürlich stelle ich auch Bilder auf Social Media. Nur nicht alles. Mich nervt das brutal, wenn auf Bloggerreisen alle rumrennen wie die aufgescheuchten Hühner, jedes Essen von jedem Winkel fotografieren oder sich mit dem Sommelier, dem Wirt etc fotografieren lassen, als ob man dick befreundet wäre. Und noch ein Bild und noch eins – das will doch keiner sehen, oder? Immer auf der Suche nach dem Supermotiv – das dann alle haben und noch mehr haben wollen…denn das kann im Zeitalter von Social Media fatale Folgen haben.
Wir zerstören, was wir zeigen
Das ist nämlich noch ein negativer Aspekt der Fotografiererei: nicht nur unser Erlebnis wird letztendlich versaut, wir ruinieren auch die Sehenswürdigkeiten selbst: Was passiert, wenn ein Platz auf der Welt zu schön, zu fotogen ist, haben wir neulich auf einer Reise in die Dolomiten erlebt. Der Lago di Braies wurde durch eine italienische Fernsehserie mit Terrence Hill berühmt. Die Touristen kamen in Scharen – und dann kam Instagram. Die Instagrammer inszenieren sich als einsame Traveller vor der Traumkulisse, viele bringen sogar Requisiten mit, Hüte und Wanderstiefel, um genau das Foto zu inszenieren, das schon tausende vor Ihnen inszeniert haben. Es ist grotesk. Ja, wir waren auch da, weil wir zum Jubiläum der drei Zinnen Besteigung eh ums Eck gewesen sind. Extra wäre ich für das eine Motiv nicht angereist. Aber viele tun das…
Mittlerweile kann man nur noch bis morgens um 10 Uhr zum See, dann ist Schluss. Das Tal wird dichtgemacht, sonst droht ein Verkehrskollaps. Fatal für alle Hotels, Restaurants und Geschäfte in der Gegend. Statt von Boom zu profitieren, kommt die Pleite. Auch viele andere schöne Plätze mussten bereits dicht gemacht werden, wie hier in Thailand der Strand von Koh Pi Pi, an dem Leonardo diCaprio „the Beach“ drehte. (Dass es hier tausend so schöne Strände gibt – geschenkt. Es muss genau der sein) Oder eine malerische Schweizer Berghütte, oder Hallstatt in Österreich, die von den Chinesen überrannt werden.
Ich weiß, ich bin Teil des Problems, nicht der Lösung. Denn ich schreibe auch über Naturschönheiten und Geheimtipps, auch auf die Gefahr hin, dass es bald keine Geheimtipps mehr sind. Aber irgendwie hab ich das Gefühl, ich könnte euch vertrauen, dass ihr, liebe LeserInnen, sorgsam mit der Natur umgeht…
vor allem an die Blogger unter euch: wie seht ihr das?
Da kannst du dir die Finger wundschreiben, diese Bilder werden erst dann nicht mehr gemacht, wenn keiner sie mehr ansieht, Also wenn kein Instagrammer mehr Follower hat, kein Youtuber mehr Zuschauer. Ich glaube, der ganze Scheiß ist trotzdem vorübergehend. Irgendwann muss man doch merken, dass ein Leben aus zweiter Hand kein Leben ist.
Eine Nachhaltigkeitsbloggerin, die zum Urlaub nach Thailand fliegt. Wenn das so weitergeht ist es völlig egal, ob Instagrammer die Welt kaputtrampeln. in 50 Jahren ist eh alles kaputt Da steht dann der Flughafen in Bangkok so weit unter Wasser, dass da nur noch Wasserflugzeuge runterkommen. Und Landschaft wird nicht mehr nach „kann man da dolle Urlaub machen“ bewertet, sondern nach „gibt’s Süßwasser? Kann man was anbauen? Kann man überhaupt dort noch leben?“
Nicht mehr „nach uns die Sintflut“. Durch uns die Sintflut.
Ich hab drauf gewartet, dass sowas kommt. Für mich ist es die erste Fernreise seit über 16 Jahren und ich hab lange überlegt.
Hmmm. Ich war noch nie außerhalb von Europa. Darf ich nun zehn Fernreisen machen, weil es wären ja die ersten Fernreisen seit über 50 Jahren? Was ist mit den 8 Mrd Menschen, die noch nie Fernreisen gemacht haben? Grade im Augenblick ist es eine ziemlich seltsame Idee mit „Ich habe das Recht dazu, weil ich war ja soooo lange nicht weg“ zu argumentieren.
Ich hatte eigentlich gehofft, dass Du mit „Lass stecken, ich habe überkompensiert“ konterst. Schade.
DAS hätte ich unanständig gefunden. Klar haben wir gespendet, ich besitze kein Auto, fahr nur öffentlich und Fahrrad, ich fliege nicht innerdeutsch. Aber dass meine Reise eine Umweltsauerei ist – Ja, stimmt. Kann ich nicht wegdiskutieren. Trotzdem: ich bin da.
Mein Kommentar von heute morgen ist ja gar nicht drin… Komisch!
Egal….
Katrin hat zum Teil Recht, dass es Leute mit gestellten Bildern übertreiben, anderen Besuchern das Erlebnis vergrätzen weil sie posieren oder sich inszenieren müssen.
Solche Leute sind mir bis jetzt eher selten untergekommen.
Ich denke das die Zeit der Social Media Selbstdarsteller langsam aber sicher dem Ende zu geht. Zu viel werden diese gerade in den Vordergrund gestellt und von Menschen
Eigentlich sollte der geneigte und interessierte Leser das sehen und begrüßen, was ehrlich, ungefiltert und natürlich ist. Gestellte Bilder kann ich auch im Studio machen…..
Langsam wird sich die Natürlichkeit durchsetzen. Davon bin ich überzeugt…. oder hoffe es irgendwo schon.