Echte Haltung oder Marketinggeblubber? Firmen im grünen Bereich?

Ich fand die Blogparade der lieben Meike Leopold spannend – es geht um Haltung in der Kommunikation. Stellung beziehen? Sich politisch auf eine Seite schlagen? Dürfen Unternehmen das? Wie ist das mit dem Eintreten für eine gute Sache? Gleich vorweg: Von Politik sollten Firmen die Hände lassen und sich in Deutschland besser nicht festlegen, was die Mitarbeiter wählen dürfen und was nicht –  vor allem, wenn sie andererseits mit Knochensägenmördern und Diktatoren Geschäfte machen. Aber ich schweife ab, denn ich möchte – dem Thema dieses Blogs entsprechend – mich vor allem auf das Thema des sogenannten „Greenwashing“  konzentrieren. Greenwashing heißt, Firmen geben sich mit bestimmten Aktionen einen ökologischen Anstrich. Wenn eine Firma glaubhaft umschwenkt, ihr komplettes Produktportfolio und alle Herstellungsbedingungen umstellen, dann ist das zu loben und zu feiern und das kann gar nicht groß genug kommuniziert werden. Das passiert jedoch selten bis nie. Stattdessen: Ein grünes Projekt-Häppchen da, eines hier – das macht Firmen so wenig grün, wie die Petersiliengarnitur am Wiener Schnitzel die Mahlzeit vegan macht.  Es ist nur eine unredliche Form des Produktmarketing. Banken, Versicherungen, Möbelhersteller oder Lebensmittel-Konzerne lieben grüne Tünche. Vom Marketing und PR wird der kleine grüne Vorstoß groß gefeiert.

Besonders beliebt ist Greenwashing bei jedoch Bekleidungsfirmen. Grün ist derzeit in Mode – aber wirklich, wirklich Fair Trade in allen Bereichen zu sein ist schwer. Denn das Geschäft mit der Kleidung ist eines der schmutzigsten dieses Planeten. Für Kleidung sterben Menschen in Sweatshops, werden Flüsse vergiftet, ganze Landstriche mit Monokulturen verwüstet. Das ist vielen bewußt, aber den meisten Konsumenten eigentlich egal, solange es nicht der Fluß vor der Haustür ist. Nur 7 Prozent aller Käufer treffen bewußt grüne Entscheidungen beim Kauf ihrer Kleidung, so hieß es jedenfalls bei der Pressekonferenz zur GreenStyle, einer neu gegründeten Modemesse.  Ich denke, die Menschen sind durchaus bewusster geworden, weit mehr als 7 Prozent. Aber nur, wenn es ihnen und ihrem Geldbeutel nicht weh tut. Die Leute hätten schon gerne alles fair, in Deutschland hergestellt, zertifiziert – aber dennoch möglichst billig. Dass das so nicht funktionieren kann, dürfte jedem klar sein. Eigentlich. Aber es ist unangenehm, es ist frustrierend, es geht an den Geldbeutel – also lieber schnell wegschauen!

Wohlfühlmarketing als Ablasshandel

Aber da hat das Produktmarketing eine super Idee, damit sich alle super wohl fühlen: Wieso die ganze Kollektion Fair Trade und grün (und teuer) machen, wenn man das auch mit einem kleinen Teil tun kann?  Und so bringen viele Konzerne neben den klassischen Kollektionen Made in China, Made in Bangladesh, Made in India auch noch eine kleine feine Kollektion heraus, die als grünes Lätzchen dient. Da wird aus Meeresplastik und alten Fischernetzen Econyl hergestellt, aus diesem Recyclinggarn dann T-Shirts mit einer Schildkröte drauf, Meereswellen und „Save the Planet“ – Aufdruck. 5 Euro (oder vergleichbar) gehen an ein Delphinrettungsprojekt. Die Konsumenten lassen sich gern mit dem Öko-T-Shirt auf den Ablasshandel ein. Um all diese grünen Bestrebungen zu feiern, wird eine Pressemitteilung an alle Zeitschriften und Blogs gesendet. Da sollen wir dann gute Miene zum bösen Spiel machen, die Kollektion feiern und dem Hersteller insgesamt eine Absolution zu gewähren. Schlimm: die meisten regulären Medien spielen mit, ein paar grüne Blogger machen Rabbatz. Das wars. Stört fast keinen, hängen bleibt bei den Verbrauchern „xy wird jetzt grün“ Dabei wird da bloß ein Trend geritten. Echte Haltung wird missbraucht und zum Marketinggag. Aber der Verbraucher kann sich in dem schönen Gefühl wiegen, dass der Konzern „was macht“ zur Rettung des Planeten. Manchmal ist übrigens auch das Ökogarn nichts weiter als eine Umweltsünde – Plastikflaschen aus Europa werden per Schiff nach Taiwan geschippert, der fertige Ökostoff dann in Osteuropa verarbeitet.

9a881e500f07f5103110a4ca8620fc5eNicht nur Bekleidungshersteller kennen den tollen Trick mit dem kleinen grünen Eck, der das ganze Sortiment gleich viel, viel besser und heimeliger grün macht, auch Lebensmitteldiscounter bieten eine kleine Qualitätsecke an, mit „Produkten aus der Region“ oder „Bio“.  Man könnte sagen, es ist ein Anfang. Dass weniger besser als gar nichts ist. Aber das stimmt für mich nicht. Es gibt ja nicht nichts, sondern es gibt kleine Firmen, die den Großen den Kampf angesagt haben und mit wirklich fairer Qualität punkten wollen – allerdings zu angemessenen Preisen. Wenn nur  1% einer Firma grün ist, dann sind es 99% eben nicht. Genauso wie die Firmen, die bei Produkten wie Apfelsaft oder Analogkäse plötzlich „vegan“ Stempel aufs Produkt hauen. Ich empfinde das als Verbrauchertäuschung und unredlich.  Wer diese Produkte kauft, unterstützt einen Konzern, der sich meist nicht an die Spielregeln hält und drängt auch die kleinen Hersteller, die sich bemühen, ihre ganze Kollektionen oder all ihre Lebensmittel  fair und damit teurer herstellen zu lassen,  vom Markt.

Verbrauchertäuschung mit Methode

Es nervt mich nur noch. Ich möchte, dass Firmen die Frage „Wer macht deine Kleidung“, „Von welchem Bauernhof kommt das Essen?“ ehrlich beantworten können.  Ich wünsche mir, es würden nicht so viele Journalisten oder Influencer auf grünes Gewäsch hereinfallen. Denn es wäre unsere Pflicht, bei Marken nachzugraben, wie, wo zu welchen Bedingungen der Pullover hergestellt wurde, wie es sein kann, dass ein Material wie Cashmere überall so abartig günstig angeboten wird. Das würde jedoch Recherche erfordern und sich nicht gerade beliebt machen – außerdem: Es will ja eh keiner wissen. Dennoch wird hier eine Pseudohaltung zum reinen Marketinggag – und das ist alles andere als besonders gut, sondern nur besonders verfälschend. Verbraucher, die Firmen unterstützen, die sich dieser Augenwäscherei bedienen, tragen nicht zur Rettung des Planeten bei, sondern zum Armaggedon.

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