Münchner Nostalgie auf der Auer Dult

Der Artikel stammt von der letzen Dult – aber jetzt ist es wieder soweit. Dank meinem Freund habe ich dieses Mal ganz andere Stände kennengelernt, etwa eine Hosenträger-Schneiderei, die Hosenträger nach Maß machen. In einer Stunde kann man sich die perfekten Hosenträger abholen. Nicht nur für Hipster! Und er hat mir die vermutlich besten Muskatreiben und Pfeffermühlen gezeigt, von einer Manufaktur in Otterfing, Herzinger Mühlen. Die Muskatreibe kostet zwar stolze 82 Euro, holt aber ein unvergleichliches Aroma aus der Gewürznuss. Und ein Kettenkarussell gab es auch…auch bei 37 Grad – ich liebe die Dult!

Es heißt, Zeitreisen sind nicht möglich. Ich sage: doch, das geht. Zum Beispiel die Auer Dult in München Au ist so ein Wurmloch in der Zeit. Da gelangen Besucher problemlos in die 50er bis 70er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. Ich – und viele andere, die sich als echte Münchner begreifen, lieben das nostalgische Spektakel, das sich dreimal im Jahr auf dem Mariahilfplatz abspielt. Es ist ein München, das Fremden relativ wenig Zugang gewährt, nur wenige Zuagroaste können den Zauber der Büdchen begreifen, nehmen sich die Zeit, einzutauchen in des Marktgeschehen. Für diese Besucher ist das alles ein Kuriosum, sie laufen durch, kaufen sich ein Eis oder eine heiß herausgebackene Auszogne und gehen wieder. Das ist vielleicht gut so, denn so bleiben die unter sich, die das zu schätzen wissen. Die Dult ist uralt, 1310 wir sie zum ersten Mal erwähnt. Und man kann sich dort fast einen mittelalterlichen Markt vorstellen, bei dem die Städter und das Landvolk zusammenkam, um alles, was so benötigt wird an Gerätschaften, zu erwerben. Dieser „Grundversorgungscharakter“ macht die Auer Dult vielleicht so besonders.

Wildschweinteller und Nonnenfürzchen

Die Auerdult ist Antiquitätenmarkt, Krimskramsmarkt, Haushaltsmarkt, Jahrmarkt in einem. Karusselle aus den 70er Jahren, die auch noch immer Schlager der Siebziger Jahre spielen, unterhalten die Kinder. Autoscooter, Kettenkarussell und sogar ein aus der Mode gekommenes Ponyreiten, daneben eine Fotobude, bei der man sich auf einer alten Fotoplatte ablichten lassen kann – Zeitreise eben. Zuckerwatte, rote Liebesäpfel, Softeis, Brausepulver… Kindheitserinnerungen.. Neben den Schaustellern gibt es viele Stände mit Geschirr, vom kitschigen Teller mit Wildschweinmotiv und Goldrand zu schönen Keramiktassen und Krügen. Wachstuchtischdecken am laufenden Meter, die Muster aus den 50er Jahren, kann man kaufen, Gardinen aus den 70ern, Glaskitsch in allen Varianten, Holzbrettchen mit eingebrannten Sprüchen „Treu sein bis in die Todesstund, wenn nix dazwischen kummt“ . Daneben wieder ein Stand mit Süßigkeiten, wo Leute noch Pavesen und Nonnenfürzchen bestellen, altmodisches Gebäck, das man sonst nirgends bekommt.  Gewürze, Fertigsuppen von so ehrwürdigen Firmen wie Wela oder tello runden das Angebot ab. tello hat mein Vater immer beim Kochen benutzt, aus Nostalgie kaufe ich eine Büchse, die Firma hat heuer ihr 50jähriges Bestehen und deswegen gibt es 100 Gramm extra. Es gibt dort Stände von Berufen, die fast ausgestorben sind: Bürstenmacher, Korbflechter, Scherenschleifer. Ich kaufe mir eine neue Wurzelbürste für die Badewanne, diverse Putzbürsten und ein neues Set zum Kehren. Die Sachen haben hier einfach mehr Charme.

Balsamessig von MR-Spezialitäten

Dazwischen gibt es durchaus sehr Feines zu entdecken, etwa die hausgemachten Balsamessige von MR-Spezialitäten. MR steht für Martina Radal, die ihre Produkte gemeinsam mit ihrem Mann am Stand auf der Auer Dult und ansonsten am Heimeranplatz feilbietet. Ihre besondere Spezialität sind Rosenprodukte, ich kaufe mir für 8 Euro einen Rosenblütenbalsam. Lange ratschen wir am Stand über die mangelnde Qualität von Fertigprodukten und ich koste mich dabei durchs Sortiment. Wunderbar!

Ein Highlight, das wirklich Spaß macht, ist der Antiquitätenmarkt. Das ist ein Platz, wo man hoffen könnte, einen alten Van Gogh zu finden, es ist einfach so eine unglaubliche Menge an schönen alten Dingen. Aber einen echten Meister hätten die schlauen Händler bestimmt schon selbst gefunden! Ich bestaune kleine Rokoko-Elfenbeinmalereien, die Marie Antoinette und ihren Hof zeigen, es gibt auch klassizistische Malereien von der Schönheitsgalerie Ludwig I., allen voran Portraits von Lola Montez. Dazu Figuren, Klosterarbeiten, alte Kostüme, Trachtenschmuck, Wildschweinköpfe, uralte Bücher, Wiener Bronzen, Mopsporzellan, antike Möbel, wertvoller, antiker Schmuck – es ist ein Wahnsinn und man kann gar nicht zu stöbern aufhören. Ich frage die Händler über ihr Sortiment aus und werde mit tollen Details belohnt, dass die Brosche aus dem Rokoko stammt, und mit 1,5 Karat Diamanten besetzt ist – höchst altmodisch geschliffen. „Eins der wenigen Dinge, die wir heute besser können“, verrät der Händler. Ich hätte die Brosche mit dem Porträt der Prinzessin von Lamballe gerne gekauft, aber die 1,5 Karat machen sie unerschwinglich…

Deswegen sollten Besucher sich einlassen  auf die Auer Dult, immer auch einen Ratsch einplanen. Die eiligen Durchhetzer verpassen das Beste. Hier muss man Zeit, Neugier und Offenheit mitbringen – ein Konzept, so wunderbar und altmodisch wie der Markt selbst.

Die Dult ist noch bis 5.8. auf dem Mariahilf-Platz in der Au, täglich bis 20 Uhr geöffnet.

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