Der Stern Traumatia, Hexen und Zeitdiebe

Das Buchfresserchen stellt gute Fragen, deswegen möchte ich auch diese Woche wieder ihre Frage beantworten: Gibt es Bücher aus deiner Kindheit, die gute Erinnerungen wecken?

Ja klar gibt es die. Geschichten, an die ich immer gerne zurückdenke, waren die zwei Bücher von Jeremias Schrumpelhut. Die Bücher gibt es nicht mehr, ich würde mir eine Neuauflage wünschen, damit auch die nächste Generation Kinder diese bezaubernden Erzählungen kennenlernen darf. Jeremias hat einen Zauberhut, mit dem er Dinge sehen kann, die andere nicht sehen, zum Beispiel die Mondschafe, von denen eins, Ludmilla, ihn bei Vollmond besucht. Doch während eines Besuches verschwindet die restliche Herde und die beiden machen sich auf die Suche. Sie erfahren, die Mondschafe sind jetzt auf dem Stern Traumatia, also träumen sie sich dorthin und müssen viele Abenteuer bestehen – da wäre der erhabene Armleuchter, der Herr des Lampenlands, der das Land gegen die bösen Schlafgeister verteidigt. jeremias-angsthaseOder der böse Dämmerkauz und der noch bösere Zauber Itzenplitz, der die Mondschafe gefangen hält. Jeremias rettet einen kleinen Angsthasen, oder muss sich von den Leuten befreien, die immer den Bananenbrei anbrennen lassen. Auf dem Meer der Träume gibt es Piraten und einen Sägefisch namens Hugo, der immer Löcher in Bordwände fräst…im anderen Buch muss er mit dem Zwergenkönig die Königin der Blumen befreien, die von Bergzwergen gekitnappt worden ist. Es ist eine bunte, niedliche Welt, phantasievoll und liebenswert. Mein Papa hat mir die Bücher vorgelesen – und dann noch einmal Klaus Havenstein, der die Hörspiele im Bayerischen Rundfunk sprach. Ich habe damals keine Folge verpasst.

Ein Buch, das ich auch sehr mochte, war die kleine Hexe. Der Autor Ottfried Preussler kam aus Rosenheim, deswegen wurden dessen Bücher als Theaterstücke immer vom Theater Rosenheim aufgeführt. Ich habe das Stück mit fünf Jahren gesehen, und spontan beschlossen, Hexe zu werden, oder zumindest Schauspielerin. Irgendwie ist da aus beiden Berufswünschen nichts geworden, ich bin zwar als Teenager auch im Theater aufgetreten, aber später nie wieder. Aber immerhin hab ich für eine Neuauflage des Stücks mit 18 im Theater Rosenheim die Kostüme entworfen, ich wollte mal etwas sexiere Hexen als die mit Kopftuch und Besen. Die sahen dann auch ziemlich fancy aus. Und ich war natürlich auch eine davon. Irgendwie wirklich schade, dass ich aus dem Talent nix gemacht habe, weder dem für Kostümbildnerei noch dem für Schauspiel…Aber ich denke gerne an das Theater zurück, und an das Buch.

momoEin Buch, das mich seit meiner Kindheit begleitet, ist Momo von Michael Ende. Ich habe deren Botschaft von den Zeitdieben verinnerlicht und mich bemüht, nie so ein grauer Herr zu werden. Ich habe immer einen Abend mit Freunden der Feierhektik vorgezogen, ich bin nie dem Glauben verfallen, man könnte Zeit sparen. Wozu denn? Wenn in einem Restaurant gefragt wird: hier essen oder mitnehmen, sag ich meist:“Hier essen, so viel Zeit muss sein“. Ich lehne es ab, im Büro vor dem Rechner zu essen, das empfinde ich als Barbarei. Ich bemühe mich, meine Zeit nicht vollständig zu verplanen, ich will immer Raum lassen für Wunder und Unerwartetes, die passieren nämlich dann, wenn man Zeit hat für sie. Auch bei der Arbeit oder der Freizeit habe ich die Lehre des Buches im Blick, insofern hat mich vielleicht Momo mit am meisten geprägt.

Und, das möchte ich als Erinnerung an eine verlorene, heilere Welt erwähnen: die Geschichte von Abdallah und seinem Esel. Abdallah war zu einer Zeit, als es noch keinen Hass auf Muslime gab, ein Gemüsehändler aus Bagdad, der sich über die Dummheit seines Esels ärgerte. Ein kleiner gemeiner Dschinn bekam das mit und verlieh dem Esel die Gabe der Vernunft und des Sprechens. Das brachte Abdallah öfter in ziemliche Schwierigkeiten – aber bringt auch viel Glück. Abdallah heiratet die Besitzerin des Hühnerhofs gegenüber, die leider auch von dem Dschinn verwandelt wird und  von Mann und Esel gerettet werden muss. Damals war Bagdad für mich ein Traumziel, das ich gerne mal gesehen hätte, voller Zauberer, voller schöner Türme, Paläste und Märchen. Mittlerweile sieht die Realität anders aus, aber ich denke gerne an das Märchenbagdad zurück. Das Buch liegt mittlerweile bei meinem Bruder, der wiederum seinen Kindern daraus vorliest. Das finde ich sehr schön.

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