Jerusalem – mehr Lebensgefühl als Stadt

Ich hab in einem National Geographic eine sehr pathetische Beschreibung Jerusalems gelesen: Der Weg dorthin ist Glaube, das Tor Leidenschaft, die Mauer Vertrauen. Jerusalem kann man nicht als normale Stadt beschreiben. Jerusalem ist die heilige Stadt dreier Weltreligionen, seit 5000 Jahren hart umkämpft, getränkt mit Hektolitern Blut, zerstört, wieder aufgebaut, immer und immer wieder.

 

Jerusalem hat den ältesten Friedhof der Welt, derseit 3000 Jahren in Benutzung ist, auf dem Tempelberg wird seit 4000 Jahren gebetet, im Hinnom Tal, mitten in der modernen Stadt, wurden früher in den Feuern des Baal Menschen geopfert, und so entstand das Bild der Hölle mit Flammen und menschenfressenden Dämonen, durch seine Strassen liefen David, Salomon, Jesus, römische Kaiser. Hier mischt sich Legende und Wirklichkeit. Während Tel Aviv ein Ausdruck des modernen säkularen Israel ist, ist Jerusalem das Zentrum des Glaubens, hier leben der Großteil der Orthodoxen, hier sind die Glaubensgräben stärker sichtbar als anderswo im Land. Hier trifft man dauernd auf tanzende Prozessionen, die zu Bar Mizwahs an der Klagemauer führen und die Touristen und Einheimische einladen, mit ihnen zu singen und zu tanzen.

Alles in Jerusalem atmet Geschichte. Zumindest in und rund um die alte Stadt. Die Altstadt, umgeben von einer Mauer, ist eigentlich sehr klein. In ihr liegen Grabeskirche und Golgotha, der Tempelberg mit Felsendom und Al Aksa Moschee, der arabische Basar und das armenische und christilche Viertel. Die zwei Hauptstrassen stammen noch aus der Römerzeit, viele Bauwerke auch. In den Bögen der römischen Gebäude haben Geschäftsleute ihre Räume, die Fußgänger laufen auf dem von Hadrian verlegten Pflaster. Allein das flößt Respekt ein.

Das Hefegebäck in Jerusalem ist berühmt
Das Hefegebäck mit schokolade, Nüssen oder Zimtzucker ist berühmt

Es gibt auch ein modernes Jerusalem, das sehr modern ist, sehr glamöurös. Wir checkten in einem der Hotels ein, die direkt an der Trambahnlinie zur Altstadt lagen – die Linie führt dann weiter zum modernen Markt der Stadt, dem Makne Jehuda. Aber zuerst steigen natürlich alle am Jaffator aus. Am Jaffator trifft die moderne Stadt auf das historische Jerusalem. Jenseits der Stadtmauer sind die Reste des Palastes des Herodes, Vermutlich der Beginn der echten Via Dolorosa, die von hier aus zum Gartentor und nach Golgotha führt. Die, die jetzt den Touristen gezeigt wird, geht durch den arabischen Bazar und gilt unter Historikern mittlerweile als unwahrscheinlich. Wir wandern in der Altstadt herum, essen Falafel nahe der Grabeskirche (unbedingt meiden – zu teuer da, reine Touristenabzocke – lieber mitten in der Altstadt zu Abu Shukri, aber das haben sich meine Mitreisenden nicht getraut, weil der Guide dem berühmten Koch mißtraute. Ärgerlich)

An Grabeskirche und an der Klagemauer herrscht jeweils ein Andrang wie beim Schlussverkauf – viele Gläubige drängen sich, um ihre Version des einen Gottes zu verehren. Ich hab keine Fotos gemacht, ich dachte, das möchte ich nicht, ich will Leute nicht beim Gebet stören. Auch wenn es einige fast groteske Szenen gab, wie etwa der Russe, der auf dem Golgotha-Altar  an den Blisterverpackungen seiner mitgebrachten Ikonen herumriss, um sie segen zu lassen. Und dann den ganzen Müll einfach liegen liess..oder die Gläubigen, die mit ihren Gewändern eine Grabplatte polieren, weil es Glück bringen soll.

„Israel-Jerusalem Old City“ von Chmouel - http://en.wikipedia.org/wiki/Image:Israel-Jerusalem_Old_City.jpg. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Israel-Jerusalem_Old_City.jpg#/media/File:Israel-Jerusalem_Old_City.jpg
„Israel-Jerusalem Old City“ von Chmouel – http://en.wikipedia.org/wiki/Image:Israel-Jerusalem_Old_City.jpg. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Israel-Jerusalem_Old_City.jpg#/media/File:Israel-Jerusalem_Old_City.jpg

Was für ein Gegensatz war aber der Ausflug, den wir am Abend zuvor gemacht haben und den ich jedem, absolut jedem Touristen wärmstens ans Herz lege: Durch das nächtliche Jerusalem per Fahrrad. Ein bißchen sportlich muss man sein, Jerusalem ist ein hügelige Stadt. Nachts ist es totenstill in der Altstadt, niemand ist auf den Gassen, außer ein paar verirrte Spaziergänger. Die Buden und Imbisse sind geschlossen, die römischen Strassen liegen in ihrem hellgoldenen Glanz da, abgetreten von 2000 Jahren Geschichte. Orange Laternen werfen ihre Lichtkegel auf die alten Mauern, immer wieder taucht man ab ins samtene Dunkel der nächtlichen Stadt. Es ist beeindruckend, es ist faszinierend und wundervoll. Außerhalb der alten Stadtmauer fahren wir durch das belebte Viertel am alten Bahnhof, das voller Lokale und Bühnen ist, dort sitzt man unter Schirmchen im Freien, oder Leute tanzen öffentlich unter bunten Glühbirnchen. Wir fahren vorbei am wunderschönen Hotel David, an den marmornen, hochmodernen Einkaufspassagen am Jaffator, in denen sich Geschäfte von Emporio Armani bis Sephora angesiedelt haben. Ein Tempel für die Gläubiger des Kommerzes. Die Malls sind nicht geschlossen, sondern liegen unter freiem Himmel – viel besser.

Tagsüber kann man am Jaffa-Tor auch zum Makne Jehuda mit der Tram, dort gibt es vorderasiatisches Essen in allen Varianten, besonders berühmt sind die Kibbeh-Lokale. Kibbehs sind eine Art sehr robuste Ravioli, die aus der afgahnischen Küchestammen und in einer säuerlichen Gemüsesuppe serviert werden. Es gibt süße Hefegebäcke, Falafelbuden, Smootiebars, Cafes – ich mag den Markt und hatte leider nur 2 Stunden Zeit dafür.

 CC BY-SA 3.0 File:Jerusalem, walls of Old town (010).JPG Uploaded by Juandev
CC BY-SA 3.0
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