Warum es die Piraten mehr denn je braucht

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Rise like aphoenix – wer die Piratenpartei jetzt schon abschreibt, wird sich noch wundern CC-BY_Marc_Janssen

Ja, die letzten Wahlergebnisse waren ein Desaster. Es gab prominente Gesichter, die die Partei verlassen haben. Wir haben uns wie wild und völlig unprofessionell gestritten. Aber das lag auch daran, dass wir selbst vergessen haben, wofür wir eigentlich stehen. Mit den Neuzugangswellen kamen Themen wie „Feminismus“ oder „Antideutsch“ dazu, der Partei wurden Diskussionen aufgezwungen, die keiner so richtig führen wollte, auch, weil niemand so genau wusste, warum wir all diese Punkte so extrem betonen sollten – denn sie waren ja längt da.

Denn der Markenkern der Piraten war und ist – ein Lebensentwurf einer freien, bunten Gesellschaft. Einer Gesellschaft, in der Mann und Frau gleichberechtigt sind, in der Menschen alles Altersklassen, aller Ethnien und  Herkunftsländer willkommen sind. Eine Gesellschaft, die nicht überwacht wird, die frei ist und sich frei entfalten kann. In der Bildung für alle da ist und die jetzt schon plant, die Zukunft mit all ihren Herausforderungen zu meistern. Eine Utopie? Sicher. Aber eine realisierbare, mit dem Netz möglich gewordene Utopie. Das Netz war immer wichtig, weil es alles verband und neue Wege eröffnete, zu kommunizieren, kreativ zu werden. Dass gerade diese Wege verschlossen werden sollten, trieb uns auf die Barrikaden. Doch das Netz ist ja kein Selbstzweck – dahinter stand immer die Vision.

Und diese Vision ist jetzt mehr bedroht als je. AfD und CDU/CSU wollen die Volte zurück in die 50er Jahre, mit Spießertum und dem Ausgrenzen Fremder und dem Verdammen anderer Lebensentwürfe als dem der klassischen Familie. Das braune Gedankengut taucht wieder hoch. Queer wird wieder tabu. Die Regierung fördert den Breitbandausbau nicht und Deutschland verkommt zum digitalen Drittweltland, emsig überwacht und gegängelt. Soziale Erungenschaften werden über Bord geschmissen – auch mit Hilfe der SPD – wir haben den größten Billiglohnsektor in Europa und keine Ideen, wenn das Modell Vollbeschäftigung ausgedient hat. Umweltschutz wird den Interessen der Wirtschaft untergeordnet und die Grünen würden gerne alles verbieten, vom Dirndl bis zur Glühbirne. Es braucht uns, mehr denn je.

Was de Piraten am Anfang so sympathisch und so wählbar machte, war die bunte Mischung, die jeden und jede willkommen hieß, viele Menschen fanden hier etwas, was sie woanders gesucht hatten: Akzeptanz. Unser größter Fehler war, diesen Fakt nicht als Plus zu begreifen, sondern als Malus. Denn es kamen immer mehr, die uns professionalisieren wollten, die aalglatt das taten, was andere Politiker auch schon taten: geschliffen in Talkshows reden und bei nächstbester Gelegenheit heimlich die Freundin einstellen. Woanders professionalisierten wir uns nicht. Politische Unerfahrenheit plus politische Skandale ist eine fatale Mischung. Ja, wir müssen uns professionalisieren, unsere Ideen besser kommunizieren, Kompromisse zulassen, Führung zulassen. Aber vor allem dürfen wir nie wieder zulassen, dass unser bunter, inkludierender Markenkern in Frage gestellt wird. Dafür ist die Chance jetzt größer als jemals zuvor. Nehmen wir sie wahr.

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